Atevi 2 - Eroberer
zeigen in Form von Zugeständnissen jeglicher Art. Und allen voran die Spitzen des Außenministeriums.
Was nach atevischem Politikverständnis zum Beispiel ins Ressort des Arbeits- oder Handelsministeriums gehörte, war auf der Insel wie selbstverständlich auch Angelegenheit des Außenministeriums, denn kurz nach dem Krieg hatte sich die – im Prinzip vernünftige – Doktrin durchgesetzt, daß die gesellschaftliche und industrielle Entwicklung Mospheiras immer auch die besonderen Beziehungen zu den Atevi zu reflektieren habe; die Insel sei für die Nachbarn eine Art Schaufenster, das die menschlichen Leistungen ausstelle und natürlich auf der anderen Seite Bedürfnisse wecke. Diese Sonderstellung führte so weit, daß das Außenministerium am Ende nur noch dem Präsidenten gegenüber rechenschaftspflichtig war, der auch über die personelle Besetzung an der Spitze bestimmte.
Das Ergebnis war eine heillose Verfilzung und Vetternwirtschaft. Auf der Insel wurde keine Straße gebaut, keine Schienentrasse gelegt, kein Handelabkommen getroffen, ohne daß nicht die Ministerialen die Hand aufhielten. Was auf dem Festland passierte, interessierte sie nicht im geringsten. Probleme oder Fragen, die aus dieser Richtung auftauchten, wurden, wenn überhaupt, dem einschlägigen Forschungszentrum an der Universität zugeschoben oder aber dem Auswärtigen Amt, das in seiner Bedeutung ziemlich weit unten rangierte, zumal sich sein Leiter nicht vor den Karren der Technokraten des Außenministeriums spannen ließ.
Die träumten vor sich hin und wurden nur auf Cocktailparties wach oder dann, wenn es was zu verdienen gab, wenn es galt, dem Klientel Vorteile zu verschaffen, oder – nicht zu vergessen – wenn die stockkonservative Liga für Menschenerbe zu ihren Kongressen lud, wie jedes Jahr zur Erinnerung an den Abflug des Schiffes, der im letzten Jahr gleichzeitig Anlaß war für die feierliche Eröffnung des Raumfahrtforschungszentrums. Auf solchen Kongressen wurde der Gefallenen des Krieges gedacht und Alkohol konsumiert in einer Menge, die ausreichen würde, eine Rakete in den Orbit zu schießen. Dann lauschte man gespannt den Referaten, die sich leidenschaftlich aussprachen für eine Wiederinbetriebnahme der Raumstation. Kritische Stimmen kamen dort nicht zu Wort. Auch nicht der Paidhi, der im vergangenen Jahr von einigen Vertretern der Liga eingeladen worden war mit der Bitte, ein Plädoyer zu halten für das geplante Hanseprojekt. Sein Redemanuskript, das er wie gefordert vorher eingereicht hatte, war dann dummerweise verlorengegangen, so daß man ihn leider nicht im Programm hatte berücksichtigen können; aber er dürfe, so ließ man ihn wissen, dennoch an den Feierlichkeiten teilnehmen, wenn er denn überhaupt die Zeit habe und außerdem bereit sei, die Kongreßgebühr zu bezahlen.
Statt seiner hatte Deana Hanks einen Vortrag gehalten, auf persönlichen Wunsch des Ligavorsitzenden, der meinte, daß es im Rahmen dieses Kongresses auch einmal angebracht sei, das Amt des Paidhi zu würdigen. Und so hielt Hanks eine artige, kleine Rede, in der sie die Fortschritte der Raumfahrtforschung pries und die Bewahrung des kulturellen Erbes der Menschheit einforderte.
Himmel, Bren dachte daran, daß es vielleicht gar nicht so übel sei, eine formelle Mordabsichtserklärung registrieren zu lassen. Gegen Deana Hanks.
Nach einer Weile rief er wieder bei der Telefonzentrale an. »Hier ist Bren Cameron. Lassen wir es noch bei Hanks-Paidhi klingeln?«
»Jawohl, Bren-paidhi.«
»Danke.«
Er schaltete den Außenlautsprecher ein und hörte den Rufton, dann ein neuerliches Abnehmen und Auflegen des Hörers.
»Operator?«
»Nand’ Paidhi?«
»Nicht lockerlassen. Und wenn Ihre Schicht zu Ende ist, soll Ihre Ablösung weitermachen. Irgendwann wird die gute Frau antworten.«
»Es tut mir sehr leid, daß die Verbindung noch nicht zustande gekommen ist, nand’ Paidhi.«
»Dafür können Sie nichts. Betrachten Sie’s als launiges Spielchen unter Menschen, Nadi. Vielen Dank.«
8
Weitere Mitteilungen und Antwortschreiben setzte er im Wohnzimmer auf, während Tano, mit den Versandzylindern und dem Siegel des Paidhi ausgerüstet, weniger wichtige Korrespondenz erledigte.
Bren bestellte ein einfaches Mittagessen und ließ sich von Tano über die personelle Situation aufklären: von Damiris Dienerinnen kamen insgesamt drei als Schreibkräfte in Frage, die sich auf höfliche Umgangsformen verstanden und darum kompetent genug
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