Atevi 2 - Eroberer
einzige Möglichkeit an, Fehlverhalten zu korrigieren. »Verzeihen Sie, Jago-ji. Ich bin müde. Und meine Rippen tun weh.«
Sie zog ihm den Ärmel vom Arm. Daß sie so viel größer war als er, machte es für ihn leicht, ihrem Blick auszuweichen.
Aber nicht, wenn sie seine Schulter berührte und seine Aufmerksamkeit wünschte.
»Wir haben um Verzeihung zu bitten«, antwortete Jago. Wieder dieses ›wir‹. Die Gruppe. Das Kollektiv, von dem er aufgrund seiner Natur immer ausgeschlossen sein würde.
Auf Malguri war er für kurze Zeit mittendrin gewesen, hatte zum ersten Mal einen flüchtigen Blick werfen können über die Grenzen hinweg, die ihm gezogen waren. Das verdankte er Ilisidi und Cenedi. Deshalb war er von den beiden so sehr angetan.
Mit Barb war ihm eine menschliche Bindung verlorengegangen, die sich nicht dadurch ersetzen ließ, daß er sich Jago oder Banichi zuwandte.
Ein jämmerliches Gefühlsleben, das ihm da in Aussicht stand. Doch so ähnlich hatte wohl auch Barb empfunden und darum mit Paul Saarinson vorliebgenommen, zumal sie daran denken mußte, daß mit ihren fünfundzwanzig Jahren – oder waren es sechsundzwanzig? – die Jugend vorbei war und der Rest des Lebens begonnen hatte. Und es war ja schließlich nicht abzusehen, wann er, Bren, auf Dauer nach Hause zurückkehren würde, weil ihm so sehr an seinem Job gelegen war, an Dingen, über die er sich mit ihr nicht unterhalten durfte.
Ihm war an anderen Beziehungen gelegen, an Beziehungen zu Atevi, die noch viel sperriger waren; aber immerhin hatte er das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, Gutes zu bewirken.
Er seufzte – so kläglich entlud sich sein Gefühlsgewitter, jetzt, nachdem er die Ursache dafür gefunden hatte: sein gescheitertes Verhältnis zu Barb. Jetzt konnte er wieder klarer sehen. Indem er als Paidhi nach Shejidan gegangen war, hatte er sich gegen ein Leben mit Barb entschieden.
Er war nun wieder in der Lage, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, ließ sich von Jago den Computer bringen und eine Verbindung schalten auf die Telefonanlage des Bu-javid. Es stand ihm der Schreibtisch im Raum der Wachposten zur Verfügung, eine gemütliche kleine Ecke, die wie Tabinis Besprechungszimmer nebenan an das Foyer grenzte. Auf dem Tisch lagen jede Menge Schriftrollen, auseinandergerollt, aufeinandergeschichtet und beschwert mit reichverzierten Bleigewichten. Unpraktisch, aber alter Tradition entsprechend.
Die Schriftstücke waren auf sechs kleine Stapel sortiert, offenbar nach abgestufter Wichtigkeit. Morddrohungen, Beschwerden, Anfragen – Bren hatte keine Ahnung, was ihn da erwartete. Ihm war immer noch peinlich, in Anwesenheit Tanos die Beherrschung verloren zu haben. Der Mann gab wirklich sein Bestes in einem Job, für den er gar nicht ausgebildet war. Jago hatte Verständnis dafür, daß dem Paidhi gelegentlich die Nerven durchgingen, sie war daran gewöhnt; so auch Banichi, der in solchen Fällen zu fragen pflegte, was er, Bren, denn gegen Wettereinbrüche zu unternehmen gedenke. Aber Tano, der arme Kerl, war auf solche Wutanfälle überhaupt nicht vorbereitet.
Mit Jagos Hilfe plazierte er den Computer auf dem Tisch, klemmte das Modem an die Telefonleitung und startete das Programm, daß sich selbständig durch diverse Schaltstellen vom Bu-javid über die Provinzzentrale bis zur Hauptstadt Mospheiras und schließlich zum Auswärtigen Amt lavierte.
Dann:
»Hier ist Bren Cameron«, und am anderen Ende meldete sich eine Stimme mit den Worten:
»Mr. Cameron, der Chef wartet schon ungeduldig darauf, mit Ihnen zu sprechen. Bitte, bleiben Sie am Apparat.«
Klar, daß der es eilig hat, dachte Bren. Und Sekunden später war zu hören:
»Bren. Bren, ich bin’s Shawn. Geht’s gut?«
Er entschied sich dafür, Shawn Tyers’ Nachfrage als Sorge um seinen Gesundheitszustand zu deuten. »Leidlich. Allerdings ist die Lage vor Ort ziemlich heikel. Es gibt Komplikationen. Was ist mit Hanks’ Visum? Sie hat hier nichts mehr zu suchen und müßte längst wieder weg sein. Statt dessen benutzt sie mein Siegel, ohne sich vorher mit mir abzusprechen. Unsere Gastgeber sind sauer – gelinde gesagt. Die Sache muß schnellstens bereinigt werden.«
»Bren, du kannst dir vorstellen, daß wir uns hier einige Sorgen machen. Wegen deiner Rede vor der Vollversammlung gestern abend und natürlich nicht zuletzt wegen der Schüsse.«
»Das überrascht mich nicht. Es geht hier hoch her, das kannst du mir glauben. Und Hanks ist in dieser Situation,
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