Atevi 2 - Eroberer
wurden ihm die Haare geflochten. Die zwei Dienerinnen gaben sich dabei so viel Mühe, daß seine Geduld auf eine ernste Probe gestellt wurde. Tano hätte wahrlich weniger Aufhebens darum gemacht, aber Tano war anderweitig beschäftigt. Er sehe sich nach geeigneten Büroräumen um, wußte Algini mitzuteilen; er, Algini, werde ihn derweil vertreten und die Post bearbeiten, und außerdem gelte es, besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, da Deana Hanks in den dritten Stock eingeladen sei.
Als der Zopf endlich geflochten war, schwirrten drei weitere Frauen herbei, um ihm beim Einkleiden zu helfen. Sie wollten, daß er sich dem Besuch möglichst schick präsentierte, wählten das beste Hemd für ihn aus und bestanden darauf, ihm eine schmuckvolle Fibel an den Kragen zu heften .
Schließlich kam Madam Saidin, um seine Aufmachung zu begutachten. Sie entfernte die Fibel und ersetzte sie durch eine größere, sehr viel kostbarere.
»Die gehört mir nicht, nand’ Saidin«, protestierte er mit Blick in den Spiegel und fragte sich, ob dieses Schmuckstück – offenbar aus dem Damiris Besitz – womöglich ein atigeinisches Erkennungszeichen abbildete, das ihn kompromittieren könnte. Aber er hatte keine Veranlassung, Saidin zu mißtrauen. Oder doch? Er dachte an die Gerüchte, die bis zur Umgebung der Aiji-Mutter vorgedrungen waren.
»Perfekt«, urteilte Saidin. Und damit war die Sache entschieden. Bren mußte sich fügen. Sei’s drum, dachte er; Hanks würde schließlich nicht wissen können, daß die Kragenfibel nur geborgt war.
Also ließ er das Ding stecken, wanderte im Salon auf und ab, und fragte sich, was wohl zuerst käme: ein Anruf aus dem All oder das gefürchtete Donnerwetter von Hanks. Um die Wartezeit zu nutzen, setzte er sich hin und entwarf ein Schreiben an den Präsidenten von Mospheira, um ihm mitzuteilen, daß die atevische Bevölkerung in Reaktion auf die Ankunft des Schiffes den Paidhi mit sorgenvollen Briefen überschütte, die er allesamt zu beantworten habe, was aber nicht allein zu schaffen sei und darum die Anstellung von Schreibkräften erfordere; kurzum: er brauche Geld, um die anfallenden Personalkosten begleichen zu können.
Der Präsident würde den Brief bestimmt zunächst für einen Scherz halten und dann den Kopf schütteln über ihn, der sich erdreistet hatte, seine Amtsvollmachten zu überschreiten, die Befehle seines Vorgesetzten zu mißachten und, als wäre das Maß noch nicht voll, in einer vom Fernsehen übertragenen Rede vor der atevischen Führung geheime Informationen preiszugeben. Und jetzt hatte er noch die Stirn, die Regierung Mospheiras anzupumpen, um verschwenderische Ausgaben decken zu können.
Er hörte draußen die Tür gehen, lauschte und vernahm die Stimmen von Deana Hanks, deren Leibwache, die ihr Tabini zur Seite gestellt hatte, und Algini, der dem Besuch die Hausordnung erklärte. Statt ihr im Foyer entgegenzutreten, zog er sich weiter zurück in Richtung Bibliothek. Im Flur eilten Dienerinnen an ihm vorbei auf dem Weg zur Küche.
Er hatte im kleinen Eßzimmer aufdecken lassen, obwohl es ihm im Grunde lieber gewesen wäre, Deana vors Kopfende des großen Tisches im Speisesaal zu plazieren, um sie möglichst weit auf Abstand zu halten. Seine Nerven waren zur Zeit nicht die stärksten, und er konnte nur hoffen, daß sich Saidins unerschütterliche Höflichkeit beschwichtigend auswirkte. Er sah sich bei all den Problemen, die ihm durch den Kopf schwirrten, außerstande, auch noch Rücksicht zu nehmen auf Launen und ungebührliches Betragen.
Nachdem er eine Weile am Fenster der Bibliothek gestanden und den Blick über das herrliche Panorama hatte schweifen lassen, um seiner gereizten Stimmung beizukommen, machte er kehrt und ging langsam zurück. Diesmal eilten die Dienerinnen in Richtung Eßzimmer an ihm vorbei. Anscheinend hatte es Deana bis dorthin geschafft, ohne den Porzellanblumen in der Halle allzu nahe gekommen zu sein.
Sie hatte bereits am Tisch Platz genommen, als er zur Tür hereinkam. Nach atevischen Anstandsregeln war von ihr zu erwarten, daß sie sich erhob, um den Gastgeber zu begrüßen, doch sie blieb sitzen, was dem Dienstpersonal natürlich nicht entging. Ihre Aufmachung war vorschriftsmäßig: schwarzes Jackett und das Haar zu einem einfachen Zopf geflochten. Doch ihr bleiches Menschengesicht wirkte geradezu gespenstisch, wie Bren mit Schrecken registrierte.
Auf seine Verbeugung hin nickte sie bloß flüchtig mit dem Kopf. Ihre Miene war
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