Atevi 2 - Eroberer
Aber glauben Sie bitte nicht, Tano, daß ich Sie zum Tee einlade in der Absicht, Ihnen Geheimnisse zu entlocken.«
»Über eine Abstimmung, die längst entschieden ist, kann ich ruhig reden, nand’ Paidhi. Die überwiegende Mehrheit der Gilde steht auf Ihrer Seite, und es ist kein Geheimnis, daß sich vor allem Banichi und Cenedi für Sie ausgesprochen haben.«
»Cenedi?« Das überraschte Bren.
»Nand’ Paidhi«, hob Tano an, aber es fiel ihm sichtlich schwer, vorzubringen, was ihm auf der Zunge lag. In diesem Moment brachten zwei Dienerinnen frischen Tee und eine zusätzliche Tasse. Die Teemaschine im Vorzimmer schien permanent in Betrieb zu sein.
Der Auftritt der beiden hatte Tano anscheinend aus dem Konzept gebracht. Verunsichert starrte er in die Tasse, die er mit beiden Händen zum Mund führte.
Beim Verlassen des Raums drehte sich eine der Dienerinnen noch einmal um und warf einen gezielten Blick auf Tano. Als sie verschwunden waren, meinte Bren: »Tano, wie gesagt, fühlen Sie sich bitte nicht verpflichtet, mir irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Ich will nur, daß Sie mir ein bißchen Gesellschaft leisten. Erzählen Sie mir von sich, über Ihre Herkunft, über Ihre Arbeit und Pläne für die Zukunft.«
»Das ist doch alles ziemlich uninteressant, nand’ Paidhi.«
»Mich interessiert’s, Tano-ji. Ich bin neugierig zu erfahren, wie andere ihr Leben einrichten, ob sie glücklich sind und verwirklichen können, was sie sich vorgenommen haben. Wie steht’s mit Ihnen? Sind Sie frei zu tun, was Sie wünschen? Oder fühlen Sie sich eingeschränkt, womöglich behindert dadurch, daß Sie auf den Paidhi aufpassen müssen?«
»Ich bin sehr zufrieden.« Was ihm auf der Zunge gelegen hatte, schien mit einem Schluck Tee heruntergespült worden zu sein.
»Würden Sie’s zugeben, wenn dem nicht so wäre?« fragte Bren.
»Mich bedrückt allenfalls die Sorge, daß mir ein Fehler unterlaufen könnte, ein Fehler mit schlimmen Folgen.«
Daran hatte Bren noch nicht gedacht: daß ihm, Tano, in jüngster Zeit immer mehr Verantwortung zugekommen war und daß es seine Arbeit zusätzlich erschwerte, wenn der Paidhi beschloß, mit der Aiji-Mutter zu frühstücken und mit Deana Hanks zu Mittag zu essen.
»Tano«, sagte er, »es tut mir leid, daß ich Ihnen so viel abverlange, jetzt auch noch mit all diesen Briefen, die zu bearbeiten eigentlich gar nicht Ihre Aufgabe ist. Ich habe Sie deshalb darum gebeten, weil ich davon ausgehen konnte, daß Sie einzuschätzen wissen, welche Post vorrangig beantwortet werden muß. Daß dermaßen viel Arbeit anfällt, habe ich nicht vorausgesehen.«
»Es ehrt den Paidhi, daß er auch die weniger wichtigen Briefe beantwortet wissen will.«
»Trotzdem, ich fürchte, daß ich Sie damit allzusehr beanspruche.«
»Die Arbeit ist recht aufschlußreich, Paidhi-ji. Ich erfahre, wer mit Ihnen Kontakt aufzunehmen versucht, und nehme zur Kenntnis, welche Anliegen vorgetragen werden, welche Stimmungen zum Ausdruck kommen. Und ich halte Ihnen zugute, daß Sie gerade auch die Briefe der einfachen Bürger ernst nehmen – was ich übrigens auch der Gilde vorgetragen habe, als ich dort meine Stimme abgeben mußte. Ich sage Ihnen das, obwohl ich damit meine Schweigepflicht verletze. Und noch etwas: Algini ist vorzeitig aus Malguri eingeflogen, nur um zu Ihren Gunsten stimmen zu können.«
»Ich stehe in seiner Schuld. Ruft die Gilde immer, wenn es über Anträge abzustimmen gilt, alle Mitglieder zusammen?«
»Nur in kontroversen Fällen. Dann muß eine Urabstimmung entscheiden. Soviel darf ich verraten.«
»Danke für die Auskunft, Tano-ji. Und Dank auch an Algini.«
»Sie haben inzwischen einen guten Ruf in der Gilde, nand’ Paidhi.«
Bren wußte nicht so recht, was er von dieser Bemerkung halten sollte, entschied sich aber schließlich dafür, sie als Kompliment zu verstehen. Es waren nun alle Briefe unterschrieben und versiegelt. Er händigte den Packen an Tano aus und bat ihn, einen Blick auf das im Bu-javid geführte Paidhi-Konto zu werfen und auszurechnen, ob sich von dem Geld eine zusätzliche Schreibkraft finanzieren ließ.
»Wenigstens für zwei Tage. Ich will Sie nicht länger damit behelligen.«
»Mal schauen, was sich einrichten läßt«, versprach Tano. »Ich fürchte allerdings, daß an schriftlicher Arbeit noch einiges zu tun bleibt, und zwar über mehr als zwei Tage. In der Poststelle liegen noch Säcke voller Briefe, vor allem von atevischen Kindern.«
»Nicht zu
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