Atevi 3 - Erbe
Standpunkt aus würde umschauen können. Doch das Risiko wäre zu groß gewesen. In Sicherheit konnten sie sich erst am Zielort wähnen.
Es war noch eine gute Strecke zurückzulegen; die Straße ging auf und ab, an gelb, violett und weiß blühenden Wildwiesen vorbei, und es gab kein einziges Haus zu sehen, bis sie schließlich hinter einer Hügelkuppe an eine Mauer gelangten, ein Tor darin passierten und in einer Kurve einen kurzen Blick auf ein großes Steingebäude erhaschten.
Nach einer weiteren Kurve hatten sie die Festung vor sich, hohe, zum Teil fast baufällig wirkende Natursteinmauern, vier- bis fünfgeschossig und mit Zinnen gekrönt, über dem Rundportal eine Fahnenstange mit fliegendem Banner. Rot und schwarz, die Farben des Aiji. Der Bus kam vor dem Eingang unter einem gegiebelten Vordach zum Stehen. Im selben Augenblick ging die Pforte auf, und heraus traten die Männer der Aiji-Mutter, um den Verschlag des Busses zu öffnen. Jago war als erste draußen. Bren folgte ihr. Jason blieb sitzen und versperrte Banichi den Weg, was ihn aber nicht weiter zu kümmern schien. Er machte auch keinen panischen Eindruck, sondern starrte einfach nur düster vor sich hin. »Wo ist der Strand?« wollte er wissen. »Oh, ganz in der Nähe«, antwortete Bren. »Kommen Sie, Jasi-ji.«
Doch der rührte sich nicht. Er war immer noch angeschnallt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. In dieser Haltung gab er ein Bild der Verärgerung ab. »Nichts als Gras, Stein und hohe Felsen. Sie haben mir Strand versprochen, Nadi.«
»Jasi-ji«, erwiderte Bren in aller Ruhe. »Sie hindern Banichi am Aussteigen.« Was nicht ganz richtig war, da sich Banichi durchaus hätte durchsetzen können. »Der Strand ist am Fuß des Hügels, da wo das Wasser hinreicht. So hat es die Natur vorgesehen. Um ein wenig Abstand davon zu nehmen, hat man diese Festung auf einen Hügel gebaut. Sie gehört dem Aiji und wird für die nächsten Tage unsere Unterkunft sein. Steigen Sie bitte aus, Jasi-ji, bevor sich Banichi Platz verschafft.«
Jason stand endlich auf, vorsichtig, zog den Kopf ein und trat in den Schatten der Burgmauern hinaus, hielt sich am Wagen fest und schlug die Hilfe der Bediensteten aus. So blieb er eine Weile stehen, fixierte dann den Eingang und strebte, von Bren begleitet, auf die geöffneten, eisenbeschlagenen Tore zu.
Malguri war, soweit Bren wußte, die älteste noch bewohnte Burg – und in sehr viel besserem Zustand als diese hier, die auf den ersten Blick einen verstaubten und verlassenen Eindruck machte. Ihre Entstehung ging angeblich auf die Zeit der Entdeckungen zurück, als Ost und West miteinander in Kontakt getreten und Handelsbeziehungen geknüpft worden waren, als die ersten Holzschiffe den Südrand umschifft und rivalisierende Assoziationen mit Kanonen aufeinander geschossen hatten. Die Burg war damals als Verstärkung des Forts von Mogari-nai gebaut worden.
Der Vorschlag, hier Urlaub zu machen, war von Ilisidi gekommen, die vor allem Sicherheitsgründe angeführt und Bren darauf hingewiesen hatte, daß Saduri abseits der touristischen Rundtouren lag und für Wanderer gesperrt war.
Diese Burg mochte zwar weniger alt als Malguri sein, aber auf modernere Sanitärinstallationen war, wie Bren vermutete, nicht zu hoffen. Auch die provisorisch angebrachte Fahnenstange ließ darauf schließen, daß hier einiges im argen lag. Es sah so aus, als habe einer von Ilisidis »jungen Männern« auf die Schnelle das Dach erklommen und das Banner gehißt, um der Aiji-Mutter einen halbwegs angemessenen Empfang zu bereiten.
Die Eingangshalle von Malguri war voller Leben und interessanter Details gewesen. Ganz anders das Bild, das sich hier bot: Ein Deckenbalken lag eingestürzt im hinteren Teil der Halle; die Rückwand war eingerüstet; überall hatte sich brauner Staub abgesetzt und es gab kein Licht, bis auf das, was durch den Eingang fiel.
Selbst Banichi und Jago zeigten sich entsetzt Ja, wo ist der Strand? fragte sich auch Bren; worauf haben wir uns hier eingelassen?
»Nadi Bren.« Einer der Diener war von der Seite herbeigetreten und sagte auf die ruhige Art, wie sie typisch war für das Personal der Aiji-Mutter: »Nadiin Wenn Sie jetzt Ihre Räume sehen möchten«.
16
Seitlich ging ein langer Korridor ab. Überall Staub, und auf dem Steinboden frische Fußspuren, die am Ende des Gangs über einige wenige Stufen nach oben führten. Banichi mußte den Kopf einziehen, so tief hing hier die Decke.
Jago blieb am
Weitere Kostenlose Bücher