Atevi 3 - Erbe
Fuß der Treppe zurück, wahrscheinlich, wie Bren glaubte, um auf Tano und Algini und das Gepäck zu warten.
Die Stufen waren von abwetzenden Tritten ausgehöhlt – uralt, älter vielleicht als die Kanonen. Bren hatte keine Ahnung, wie lange es dauern mochte, bis ein Stein so tief ausgetreten war. Auch der sich weiter oben anschließende Korridor war aus Stein, und ließ darauf schließen, daß sich darunter ein Gewölbe befand. Bren hatte in Malguri gelernt, daß früher, als es noch keinen Spannbeton gab, so gebaut worden war.
Im oberen Flurabschnitt gab es keine Fenster. Das einzige Licht stammte aus einer Lampe, die neben dem Treppenabsatz an der Wand hing. Es war stockdunkel am Ende des Gangs, wo der Diener – wenn er denn einer war, wogegen sein Aussehen sprach – eine Tür öffnete, hinter der sich ein Loch von Zimmer befand. Durch einen unverglasten Fensterschlitz fiel weißes Tageslicht auf ein Bett und einen Tisch. Dazu wehte kühle Frühlingsluft herein.
Golden leuchteten das Gesicht und die Hände des Dieners auf, als er ein Streichholz anriß und eine Kerze anzündete, die auf einer rauhen (aber kürzlich staubgewischten) Tischplatte stand. Daneben befand sich eine kleine Vase mit drei stachelig aussehenden Blumen, die wohl aus der näheren Umgebung stammten.
Der Docht fing Feuer, das sein flackerndes Licht auf rohe Steinwände und durchhängende Deckenbalken warf.
»Da wären noch mehr Kerzen«, sagte der Diener und deutete auf einen kleinen Weidenkorb am Rand der Tischplatte. »Und hier die Streichhölzer, Nandiin. Die Aiji-Mutter bittet darum, acht zu geben, daß nichts anbrennt.« Er zeigte Bren ein kleines Bündel Streichhölzer, um die ein dünnes Band geschlungen war. »Bedauerlicherweise werden die Zimmer, die wir sonst für unsere Gäste freihalten, zur Zeit renoviert. Aber es sind hier genügend Wolldecken vorhanden. Abtritt und Waschgelegenheit sind am Ende des Korridors. Wenn Sie mir bitte folgen…«
Bren spürte Jasons Unbehagen und hütete sich, mit einer Frage daran zu rühren. »Na, dann wollen wir mal sehen«, sagte er betont heiter. Banichi wartete in der Tür, und Bren fragte sich, ob er gewußt hatte, was ihn hier erwartete.
Banichi ließ sich nichts anmerken, aber womöglich lästerte er im stillen: Der Paidhi wollte ja unbedingt hierher…
Ja, er hatte sich für dieses Urlaubsziel entschieden.
Der mutmaßliche Diener nahm mehrere Kerzen aus dem Korb und entzündete an der schon brennenden eine weitere, die er dann in eine Halterung an der Wand steckte. Die Gäste schauten schweigend zu.
»Nand’ Banichi und nand’ Jago«, sagte der Diener, nachdem er noch eine Kerze angesteckt hatte und damit in den Flur hinaustrat. »Ihr Raum ist gleich hier.« Für Tano und Algini war das Zimmer nebenan gedacht.
Auf der anderen Seite des Korridors befanden sich zwar auch Türen, doch die Räume dahinter konnten nicht viel größer als Steinsärge sein und waren wahrscheinlich ohne Fenster, wie Bren vermutete in Erinnerung an den Außenanblick dieses Traktes. Ein Glück, daß man sie nicht dort untergebracht hatte.
Und was verstand der Diener unter Abtritt und Waschgelegenheit? Er öffnete die Tür eines Raums, in den durch ein Loch im Boden kaltes Tageslicht strahlte. Da waren ein Stoß Handtücher zu sehen, sowie ein Eimer samt Schöpflöffel.
Der Diener erklärte. Zu Jasons Information, der gewiß nicht ahnen konnte, daß dies die Toilette war. Der Paidhi wußte allerdings schon Bescheid.
Das Örtchen auf Malguri war beheizt. Dieses nicht. Es hatte dafür Durchzug.
Auf Malguri gab es Fensterscheiben aus Glas, offene Kamine in fürstlichen Suiten und intakte Installationsleitungen, so alt sie auch sein mochten. Bren begann zu erahnen, was den Unterschied zwischen einer ›historischen Stätte‹ und der ältesten durchgängig bewohnten Burganlage ausmachte.
Von Jason war bislang noch kein Ton zu hören gewesen. Wahrscheinlich stand er unter Schock und trabte einfach nur mit, als sie, der Diener vorneweg, durch den kerzenbeleuchteten Flur zurückgingen in das Zimmer, das sie gemeinsam bewohnen sollten.
Ein Einzelzimmer mit nur einem Bett, das nicht einmal besonders breit war.
Sich als Gast über die Unterbringung zu beschweren war ungebührlich. So etwas tat man nicht. Zumal hier davon ausgegangen werden konnte, daß die Gastgeberin über alles genau im Bilde war. Also empfahl es sich, zu lächeln und den Mund zu halten.
Während eines privaten Treffens im luxuriösen
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