Atevi 3 - Erbe
Arbeitszimmer ihres Appartements im Bu-javid hatte er ihr anvertraut: »Aiji-ma, Jason weiß nichts über die Eigenarten der Atevi. Was ich darüber weiß, haben Sie mir beigebracht, nämlich auf Malguri. Aber so weit können wir diesmal nicht reisen. Dürfte ich Sie darum bitten, heuer ein bißchen länger in Taiben zu verweilen? Dort könnten wir Jason-Paidhi zeigen, wie die Welt der Atevi früher einmal ausgesehen hat. Und vielleicht wäre es auch möglich, einen Abstecher an die Küste zu machen. Ich habe versprochen, ihm das Meer zu zeigen, und will nun mein Versprechen wahr machen. Wenn Sie mir helfen würden, Aiji-ma…«
Darauf war es zu einem jener langen Schweigemomente gekommen.
»Was ist aus ›Sidi-ji‹ geworden?« hatte Ilisidi dann gefragt, die alterskrausen Lippen zucken lassen und die Braue hochgestellt. Mit anderen Worten: Waren wir nicht schon bei der vertrauteren Anredeform?
»Ich dachte, die Maßlosigkeit meiner Bitte durch eine förmliche Adresse mildern zu können.«
Und Ilisidi hatte nach kurzer Bedenkzeit geantwortet: »Nun, wenn Sie auch an die Küste wollen, warum fahren wir nicht gleich nach Saduri?«
Und so waren sie denn nun hier. Tano, Jago und Algini kamen mit einer Reihe mutmaßlicher Diener die Treppe herauf und brachten ein paar leichtere Gepäckstücke.
»Den Rest verstauen wir unten«, sagte Jago, sichtlich frohgestimmt.
Dem Paidhi war nicht so recht wohl zumute; er wagte es nicht, Jason ins Gesicht zu blicken, und drückte die metallene Klinke, um den Gepäckträgern die Tür aufzumachen.
»Gibt es einen Schlüssel hierfür?« fragte er Ilisidis Diener.
»Nein, nand’ Paidhi. Die Tür hat kein Schloß. Ich kann Ihnen aber versichern, daß das Haus sehr streng bewacht wird. In der Hinsicht brauchen Sie sich also keine Sorgen zu machen.«
Bren wartete auf einen spöttischen Kommentar von Banichi oder Jago, doch die beiden schwiegen, und Bren fragte sich, ob deren Zimmer zu verschließen war.
Das Gepäck war abgelegt. Jago reichte ihm seinen Computer, der sich hier nicht würde wiederaufladen lassen, weil ein entsprechender Anschluß fehlte. Er hatte das Gerät aber auf keinen Fall in der Nähe von Onkel Tatiseigi, geschweige denn unbeaufsichtigt zurücklassen wollen. Als der Diener weg war, trat Bren an Jasons Seite ins Zimmer und zog die Tür hinter sich zu, worauf ein Luftschwall durch den Raum ging, der fast die Kerze ausgeblasen hätte.
»Nadi«, sagte Jason in einer Stimmlage, die Bren erstaunlich kontrolliert fand. »Was machen die mit uns? Warum sind wir hier?«
»Tja, also…« Bren suchte nach Worten, die Jason verstehen konnte.
»Ich…« hob Jason wieder an, der in seine Sprache zurückzufallen drohte und hörbar nach Luft rang.
»Tut mir leid.«
»Wo ist das Meer, Nadi?«
»Ich will’s erklären.«
»In meiner Sprache, bitte!« flehte Jason auf ragi, womit er immerhin unter Beweis stellte, daß der seine Reflexe unter Kontrolle hatte.
»Na schön, aber nur für die nächsten fünf Minuten«, antwortete er auf mosphei’. »Du erinnerst dich, daß ich dir erklärt habe, wie gefährlich Tatiseigi ist? Nun, die Aiji-Mutter ist gewissermaßen die heimliche Wortführerin der Opposition Tabinis in diesem Land. Und dazu ist sie sozusagen legitimiert. Hätte das Parlament nach dem Tod ihres Mannes anders entschieden, wäre sie jetzt Aiji. Aber es wählte zu dessen Nachfolger den gemeinsamen Sohn, und als der starb, dessen Sohn: Tabini. Sie könnte sich jederzeit zurückmelden und der herrschenden Regierung Paroli bieten, aber was sie von den anderen Gegnern Tabinis unterscheidet, ist, daß sie Skrupel hat. Und außerdem ist sie…« Womöglich waren die Gästeräume verwanzt. Man konnte nie wissen und redete am besten so, als hörte jemand mit. »Außerdem ist sie fair und ehrbar. In all ihren politischen Überlegungen geht es ihr ausschließlich um das Wohl der Atevi des Westbundes. Es wäre ihr ein leichtes, gegen ihren Enkel mobil zu machen und einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Doch so etwas käme für sie nie in Frage. Daß ich noch lebe, ist der Beweis. Bedenke das, wenn du Klagen hast, und beklage dich um Himmels willen nicht bei ihr. Ich habe sie darum gebeten, dir zu zeigen, wie die Atevi lebten, ehe die Menschen kamen.« »Aha, und deshalb müssen wir in einer verdammten Ruine hausen.«
»Hör auf mich, Jason!« Jason stieß ihn barsch beiseite. Um sich davon abzuhalten, nach ihm zu schlagen, langte Bren nach seinem Arm und hielt ihn
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