Atevi 3 - Erbe
worden war, da der Paidhi und Geigi im öffentlichen Rampenlicht standen, was der Lord wiederum als Bestätigung für den guten Willen des Aiji deuten mußte. Wäre das Attentat dagegen zur nächtlichen Stunde irgendeines gewöhnlichen Tages begangen worden, hätte Geigi davon ausgehen müssen, daß der Aiji alle seine Feinde heimlich aus dem Weg zu räumen versuchte.
Dann hätte sich Geigi womöglich zu einer Dummheit hinreißen lassen; vielleicht wäre er zu Lady Direiso geeilt, von der eine noch sehr viel größere Bedrohung ausging als von Saigimi. Ein kleiner Fehler in ihrer Gegenwart hätte Geigi das Leben kosten können. Vorstellbar, wenn auch weniger wahrscheinlich wäre, daß Direiso die ihr noch verbliebenen Gefolgsleute zusammengetrommelt, Geigi wieder in die Man’chi-Pflicht genommen und ihn auf Tabini angesetzt hätte. Eine solche Verschwörung hätte das Raumschiff sozusagen als Geisel nehmen und alle möglichen Forderung stellen können.
Tabini hütete sich davor, Gewalt zu provozieren. Nach atevischer Weisheit war ein Narr, wer seine Feinde nervös machte, und mögliche Verbündete zu verschrecken war eine noch viel größere Torheit. Tabini griff nur ganz selten zu solch extremen Mitteln wie das der Assassination. Er zog es vor, alte und wohlbekannte Problemfälle in bestimmten Stellen weiter an der Macht zu belassen als einen Unbekannten in deren Position zu bringen, jemanden, der wer weiß was im Schilde führte, ohne daß Tabinis Zuträger etwas davon ahnten und ihm, wie gewohnt, detaillierte Berichte abzuliefern vermochten. Gewähren zu lassen, solange er über sämtliche Vorgänge gut informiert war – diese Taktik Tabinis hätte Lady Direiso eigentlich Kopfschmerzen bereiten müssen.
Aufgrund dieser Überlegungen ließ sich vermuten, daß Saigimi über seine jüngsten Beleidigungen hinaus irgend etwas Unverzeihliches zu verantworten hatte, was seine Ablösung dringend erforderlich machte, oder – wahrscheinlicher noch – seine Assassination war in der Tat als Warnung an Direiso gedacht, die an der Spitze der Opposition stand.
Möglich, daß Direiso das eigentliche Ziel war.
Es gab gute Gründe, warum Bren darauf verzichtet hatte, mit Geigi über diese Fragen zu reden; und an Tano und Algini hatte er nur die vorsichtig formulierte Frage gerichtet: »Wissen Sie etwas darüber, Nadiin, und geht es dem Aiji gut?« Worauf sie ihm versicherten, den Auftraggeber des Attentats nicht zu kennen, aber aus zuverlässiger Quelle erfahren zu haben, daß Tabini wohlauf sei.
Für gewöhnlich waren die beiden mitteilsamer.
Und nun, da Bren darüber nachdachte und das Zusammenstellen seiner Notizen, also seine eigentliche Aufgabe als Paidhi darüber vergaß – nun kam ihm die Nachricht über Saigimis Tod so unheimlich vor wie der Brief eines abwesenden…
Freundes.
Oh, ein schlimmer gedanklicher Ausrutscher war das.
Aber Banichi war Banichi und Jago Jago; sie, die ihm im vergangenen Jahr zeitweise als Sicherheitskräfte zur Seite gestanden hatten, waren ihm so nahe, wie einem Atevi nahestehen konnten. Und von den wenigen Gildenmitgliedern, die Tabini mit einer so delikaten Aufgabe wie die Beseitigung eines hohen Lords des Bundes beauftragen würden, standen Banichi und seine Partnerin gewiß an allererster Stelle.
Banichi und Jago, beide betrachtete er in jenem Licht, das Menschen in ihren Herzen weich und warm und verwundbar sein läßt, und beide waren seit Monaten in irgendeiner Auftragssache unterwegs, außerhalb von Shejidan; wo genau, das hatte er trotz besorgter Fragen nicht in Erfahrung bringen können.
Nein, weder Tano noch Algini konnten ihm verraten, wann oder ob Banichi und Jago zurückkehrten. Er hatte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit danach gefragt. Banichi und Jago standen im Rang höher als Tani und Algini, und Bren hütete sich davor, letzteren den Eindruck zu vermitteln, als schätzte er ihre Dienste weniger hoch ein. Aber er machte sich nun einmal Sorgen um die beiden. Verflucht, er vermißte sie.
Und das war nicht fair den beiden anderen gegenüber, die ihm treu dienten und alle Hilfe und allen Schutz gewährten, die ein Gildenmitglied gewähren kann; an dieser Hilfe beteiligten sich sogar Tanos Angehörige: Einer beaufsichtigte das Personal im Büro des Paidhi und einige andere, die, über das ganze Land verteilt, in technischen Berufen tätig waren, ließen ihm über Tano brauchbare Informationen zukommen. Ja, Tanos Clan bestand aus tüchtigen, grundsoliden
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