Atevi 3 - Erbe
vielleicht halb scherzhaft sagen, daß dieser seine Zahlen nicht richtig addiert oder sich keine Gedanken darüber gemacht habe, was der Aiji von der Summe dieser Zahlen halten mußte.
Für einen Menschen empfahl es sich, im überschaubaren Zentrum eines Man’chi zu stehen, das einem mächtigen Ateva galt, und darüber hinaus war er gut beraten, stets auf sein Sicherheitspersonal zu hören und nie, nie, nie mit fremden Personen zu kungeln.
Deana Hanks hatte sich über diese Regel hinweggesetzt und dadurch mehr Unheil angerichtet, als sie ahnte. Unter anderem war sie mitschuldig an Saigimis Tod. Ihr rücksichtsloses Vorgehen auf der Suche nach oppositionellen Atevi beziehungsweise Dissidenten hatte dazu geführt, daß manche Atevi Bündnisse eingegangen waren, die sie unter anderen Umständen niemals eingegangen wären. Ja, Hanks hatte Saigimi vielleicht wirklich auf dem Gewissen – im menschlichen Verständnis dieses Wortes.
Atevi würden einfach sagen, daß sie Unglückszahlen in Saigimis Situation gebracht und daß es Saigimi unterlassen habe, seine Gleichung zu bereinigen.
»Fruchtsaft, nand’ Paidhi?« fragte der jüngste aus der Riege der Sicherheitsangestellten, und Bren tauchte kurz auf aus dem elektronischen Datenmeer, um das Angebot anzunehmen.
Die Dauer des Fluges von der Halbinsel nach Shejidan sollte zwei Stunden betragen; der Umweg, der hier im besonderen Fall verlangt wurde, war in dieser Zeitangabe bereits berücksichtigt. Groß war der Umweg nicht – statt von Westen, mußten sie von Osten auf den Flughafen der Hauptstadt einschweben –, und da die Maschine vor etwa einer halben Stunde den direkten Kurs verlassen hatte, wußte Bren in etwa, wo sie waren.
Er fürchtete, daß es aufgrund der Assassination im Süden zu noch weiteren Verzögerungen in der Flugsicherung kommen könnte, und wünschte, schon an Bord außer Fruchtsaft auch etwas Herzhaftes zu sich nehmen zu können; doch er würde mit dem Essen warten müssen, bis sicheres Territorium erreicht war. Während der ganzen Reise hatte er kein einziges Mal nach Herzenslust zulangen können; daran hinderten Sicherheitsbedenken oder saisonale Vorschriften innerhalb der jeweiligen Zonen, die sie überflogen. Und so gab es im Flugzeug fast ausschließlich Fisch- oder Eiersalatsandwiches, eben jene Kost, die zum einem für ihn als Menschen risikolos einzunehmen und zum anderen immer kabiu war, das heißt statthaft und angemessen.
Während der ersten drei Tage der achttägigen Tour hatten ihm diese Sandwiches noch einigermaßen gut geschmeckt.
»Gibt’s was Neues?« fragte er den jungen Mann, wobei er die Sache um Saigimi im Sinn hatte, die mittlerweile allenthalben Aufsehen erregte und die Fernsehnachrichten beherrschte. Zur Antwort hörte er: »Soll ich mich für Sie erkundigen, nand’ Paidhi?«
Es gab, wie er diesen Worten entnahm, inzwischen auch eine offizielle Stellungnahme zu diesem Fall, und der junge Wachmann wollte den Paidhi nicht mit dem, was er vom Hörensagen wußte, abspeisen, sondern von kompetenter Seite Auskunft einholen.
»Tun Sie das«, sagte Bren, und bevor er einen zweiten Schluck vom gebrachten Fruchtsaft genommen hatte, war Tano zur Stelle und nahm Platz im Sitz gegenüber.
»Mit Verlaub, nand’ Paidhi. Die Situation im Bu-javid hat sich entspannt, und in der Hauptstadt ist es ruhig. Wir hatten schon in Erwägung gezogen, Sie nach Taiben zu bringen, doch dazu besteht kein Anlaß mehr. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, fliegen wir jetzt auf Shejidan zu.«
»Was ist Ihre Meinung, Tano-ji?« Mit dieser Frage wollte Bren beileibe nicht die Sicherheitsvorkehrungen in Zweifel ziehen. »Ich vertraue Ihrem Urteil voll und ganz.«
»Ich finde, wir sollten so schnell wie möglich ans Ziel kommen, nand’ Paidhi. Man hat mir versichert, daß adäquate Schutzmaßnahmen getroffen worden sind. Die aufrechtzuerhalten wird immer schwieriger, je länger wir auf uns warten lassen. Es wird zu Ihrer Rückkehr eine große Feier geben. Das schreckt wohl Amateure von unangemeldeter Vergeltung ab, nicht aber Profis, die unter Vertrag stehen und im Auftrag handeln – nicht gegen Sie, keine Angst. Ich rate dennoch zur Vorsicht.«
»Verstehe.« Wenn das übrige Personal anwesend war, verhielten sich Tano und Algini immer überkorrekt, und darum verzichtete Bren darauf, die beiden zu einem Drink einzuladen und aufzufordern, daß sie ihm klaren Wein einschenkten. Den Himmel hielten Menschen besetzt, unten war die Welt der Atevi in
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