Atevi 3 - Erbe
neuen Computercodes unter die Armschiene gesteckt, ohne ihm etwas davon zu sagen.
Hätte ich doch wenigstens eine Zeitung von Mospheira, dachte Bren.
Er wollte wissen, was auf der Insel vor sich ging, und zwar in Details, über die die Regierung nichts Falsches sagen konnte.
Doch angesichts von Umständen, in denen manche um ihr Leben fürchten mußten – so offenbar zum Beispiel seine Mutter, sein Bruder oder seine ehemalige Verlobte –, bezweifelte er, daß aus einer Zeitung oder aus anderen Kanälen Wahres zu erfahren war. Soviel zu Mospheiras angeblicher Pressefreiheit.
Die Situation machte ihm angst; er fürchtete um seine Familie, um die Atevi, um alle, die auf diesem Planeten lebten.
Und er selbst hatte Tabini-Aiji bedrängt, Deana Hanks nicht auf dem Festland festzuhalten, sondern, gefährlich wie sie war, unter Geleitschutz nach Mospheira auszuweisen. An allem, was sich daraus an Konsequenzen nun ergab, trug er die Schuld, und die ließ sich nicht etwa auf Fehler in der atevischen Politik abwälzen wie so manch andere ungünstige Entwicklung.
Er lächelte die Dienerinnen an, die ihm den Mantel abnahmen, und antwortete ruhig auf deren höfliche Fragen; daß er ihnen ehrlich Auskunft gab, war er seinen Leuten schuldig, die so viel für ihn taten. »Es gab Schwierigkeiten, Nadi«, antwortete er auf die Frage, wie die Konferenz gelaufen sei. »Es kam ein Thema aufs Tapet, das nicht dorthin gehörte: nand’ Jason. Wir sind sicher, daß hier von uns niemand ein Wort darüber nach außen getragen hat. Aber wie auch immer, die Sache ist nun allgemein bekannt.«
»Sehr bedauerlich. Man wird sofort nand’ Saidin darüber in Kenntnis setzen müssen, Paidhi-ji.« »Danke, Sasi-ji. Wie geht es ihm denn jetzt?« »Er spricht gerade mit seiner Mutter, nand’ Paidhi.« »Danke, Sasi-ji.« Bren steuerte geradewegs auf die Wachstube zu und durch die wie immer geöffnete Tür. Tano, Banichi, Jago und ein junger Kollege hockten beieinander und lauschten in ihre Kopfhörer.
Ohne ein Wort zu sagen, nahm Tano seinen Kopfhörer ab und reichte ihn Bren, der das Ding hastig auf die Ohren klemmte.
»…weiß nicht, was ich sonst tun kann«, hörte er Jason in der Sprache der Schiffsbesatzung sprechen, worauf statt einer Antwort eine lange Pause folgte.
Schließlich war eine Frauenstimme zu hören; sie klang traurig. »Verstehe. Aber du könntest alles daran setzen, möglichst bald wieder bei uns zu sein.«
»Es heißt hier, daß große Fortschritte gemacht werden.«
»Wirst du wieder anrufen können?«
»Weiß ich nicht. Aber ich will’s versuchen.«
»Ich liebe dich.«
Der Satz schwebte eine Weile dünn, aber nachhaltig im Raum. Dann: »Ich liebe dich auch, Mama. Und mach dir keine Sorgen. Es geht mir gut.« Wieder eine Pause. »Wir machen jetzt besser Schluß.« »Ja. Es war gut, deine Stimme zu hören.« »Mir geht’s ebenso, Jason. Gib auf dich acht. Bitte.« »Versprochen, Mama.«
Dann wurde die Verbindung abgebrochen. Bren schaute in die Runde der großen, schwarzen, atevischen Gesichter, darunter die Frau, mit der er fast ins Bett gestiegen wäre. Sie alle blickten ihn an in Erwartung einer Reaktion.
Banichi und Jago hatten von dem Gespräch wahrscheinlich genug mitbekommen, was sie Bren“ gegenüber nicht mehr zu verhehlen brauchten.
»War wohl im Normalbereich, was sich die beiden zu sagen hatten«, meinte Bren. »Mutter und Sohn, die in…« Es gab kein Wort für zärtliche Zuneigung. Nichts, was diesem nahe kam. Oder in den Gesichtern zum Ausdruck kommen konnte, die ihm zugewandt waren, wohlwollend, aber auch skeptisch. »Für deren Verhältnisse völlig normal. Jason macht sich Sorgen um seine Mutter und will nicht, daß sie sich seinetwegen grämt. Sie hat gefragt, ob er sie zurückrufen könne, worauf er geantwortet hat, daß er das nicht wisse, wohl aber versuchen werde. Die Möglichkeit wird er doch bekommen, Nadiin-ji, oder?«
»Es spricht nichts dagegen«, sagte Banichi.
»Der Tod seines Vaters wird einem Unfall zugeschrieben«, rekapitulierte Jago. »Genaueres haben wir nicht mitbekommen.«
Es war ein großer Vertrauensbeweis, daß die am meisten auf Sicherheit bedachten Atevi, die Bren kannte, ihn wissen ließen, wieviel sie verstanden. Die ihm zugewandten Gesichter rückten wieder in das für ihn gewohnte Bild zurück, und sein Herz legte einen Schlag zu bei dem Gedanken, daß ihm, weil er sich soeben gewissermaßen auf menschlichem Terrain befunden hatte, wieder einmal vor Augen
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