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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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konzentrieren, von jedem lernen konnte, und jede Wahl wäre gleich bedeutend. Wie sollte er dann unter ihnen wählen?
    »Was ist wichtig?« fragte er.
    »Du bist wichtig, und er ist es.«
    »Er? Vlad?«
    »Ja.«
    »Ich brauche seine Hilfe.«
    »Ja, das stimmt. Aber er braucht dich mehr als du ihn, weißt du?«
    »Ich habe ihm das Leben gerettet.«
    »Ja. Und er wird dich wieder brauchen.«
    »Wofür?«
    »Sei gütig«, sagte die Stimme und verlief sich in einer unmöglichen Richtung. Er wollte ihr folgen und erhob sich hoch und höher und noch höher. Die Welt, die er erschaffen hatte, war fort, also wollte er eine neue bauen, während er aufstieg. Das tat er nun, und dabei verwob er sich mit den dicken Strängen der Wurzeln des Baumes der Welt. Ein merkwürdiges Geräusch ertönte, und in seinem Gesicht wurde es kühl. Aus Dunkelheit wurde Licht, doch diese Veränderung bemerkte er nicht. Gefühle kamen hoch und wirkten echt: eine Versteifung in der Schulter, das Flattern eines Vogels, der Geruch von Bäumen und dem Gebüsch.
    Er machte die Augen auf.
    »Du warst weit weg«, sagte Vlad.
    Savn erstarrte. Der Ostländer lag immer noch auf dem Rücken, doch die Augen waren geöffnet. In seiner Hand lagen der Wachspfropf von dem Krug und die beiden Lederscheiden, die weiter darinsteckten.
    »Du bist wach«, sagte Savn.
    »Ja.«
    »Wie geht es dir?«
    »Gut, weil ich lebe, was mich überrascht.«
    »Ich –«
    »Nein«, unterbrach Vlad, »sag es mir nicht.« Er besah sich das merkwürdige Ding in seiner Hand und das Blut am abgeschnittenen Ende der Schwertscheide. »Ich glaube, ich möchte lieber nicht wissen, wie du es geschafft hast.«
    »Na gut.«
    »Aber ich verdanke dir mein Leben, und das werde ich nicht vergessen. Wo bist du gewesen?«
    »Ich, äh, ich glaube, ich habe geforscht.«
    »Wie war deine Reise?«
    »Sie war … keine Ahnung. Ich bin nicht ganz sicher, wohin sie ging.«
    »Erzähl mir davon.«
    »Nun, ich war alleine, nur waren alle anderen da, und ich habe einen Wald gemacht und bin durchgelaufen, und dann kam da so eine Mauer, und ich bin drübergeflogen, und dann hat eine Stimme …« Er zog ein Gesicht. »Ich kann es, glaube ich, nicht beschreiben.«
    »Das reicht ja schon«, sagte Vlad. »Du hast deine Träume besucht.«
    »Ja. Ich wußte, es war ein Traum, und ich wußte, ich habe ihn erfunden.«
    »Hat dir dein Traum gefallen?«
    »Ja«, sagte Savn und setzte sich plötzlich hin. »Das hat er.«
    »Na, das ist doch ein gutes Zeichen. Man sollte seine eigenen Träume immer mögen.«
    Savn wußte nicht, was er sagen sollte. Einerseits wollte er darüber sprechen, andererseits kam es ihm zu intim vor. Er wartete, ob Vlad ihn noch etwas fragte, doch der Ostländer machte nur die Augen zu.
    »Ich habe etwas zu essen«, sagte Savn.
    »Jetzt nicht«, sagte Vlad.
    »Glaubst du, du kannst dich bewegen?«
    »Nein.«
    »Oh. Ich würde dich gerne an einen sicheren Ort bringen.«
    »Dann weißt du, daß ich in Gefahr bin?«
    »Ich habe den Kampf gesehen.«
    »Ach ja. Tut mir leid. Ist alles etwas verschwommen. Wie war ich?«
    »Wie warst –«
    »Schon gut. Vielleicht kommt es ja wieder.«
    Die beiden Jheregs erhoben sich, machten ein paar Schritte vorwärts und flogen davon. Savn wollte ihnen nachschauen, aber zu schnell verschwanden sie in den Bäumen. Einen Moment darauf sagte Vlad: »Es ist niemand in unserer Nähe.«
    »Trotzdem«, beharrte Savn. »Ich würde –«
    »Bald. Im Augenblick fühle ich mich sehr schwach; ich brauche Ruhe. Du mußt aber nicht bei mir bleiben. Es geht schon.«
    Savn grunzte. Vlad wollte noch etwas sagen, schloß statt dessen aber wieder die Augen. Savn aß Brot und Käse, gab sich dann einen Ruck und ging mit dem Krug zum nächsten Bach, wo er ihn auffüllte, was länger als eine Stunde dauerte. Als er zurückkam, schlief Vlad erst, doch dann riß er die Augen auf und fragte: »Haut mir da jemand Nägel in die Seite?«
    »Nein, du –«
    »Nur so eine Frage.«
    »Tut es weh?«
    Vlad schien nicht in der Lage für eine Antwort; er preßte nur die Augen zu und öffnete sie wieder, dann machte er sie zu und schlief ein. Savn befühlte seine Stirn, die, wie er sich erinnerte, die erste Angriffsfläche für die Fieberkobolde darstellte, falls sie durch eine Wunde in den Körper gelangt waren – er wußte noch, wie Meister Wack sich einmal drei Tage lang mit Lorr aus Großeklippe beschäftigt und ihm den Kopf gekühlt und gesungen hatte. Doch Vlads Stirn schien, wenn überhaupt, eher

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