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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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die um ihn raschelten, das Licht durch seine Augenlider. Er wollte sich von diesen Dingen entfernen, die zu seiner Welt gehörten. Also: Weiter, tiefer. Tiefer. Zieh dich zurück, sink nieder.
    Savn stellte sich vor, wie sein Körper durch den Schmutz und den Ton und die Steine sank, und nach jeder Schicht entfernte er sich weiter von sich selbst, von Vlad, von der Welt, die er kannte. Er spürte, wie er seinen Abstieg kontrollierte, also ließ er die Kontrolle fahren und trieb.
    Trieb fallend durch die Erde zu den Räumen unten, allein, sich im Kreise drehend, er sah ohne Augen, lief ohne Beine, kam an eine Leere, wo Gefühle blaß und durchsichtig sind und das Gespürte der Nebel, durch den Gedanken verfolgt werden. Er betrachtete sich selbst, die Widerspiegelung in enger Abgeschiedenheit, und stellte fest, daß er eigentlich gar nicht allein war, nie allein gewesen war. Seine Schwester, seine Mutter, sein Vater, Meister Wack – sie alle drehten sich langsam um ihn, mit abgewandtem Blick; sein eigener Blick zog sich zurück und drang vor, an allen vorbei, an seinen Freunden, an dem Ostländer.
    Er erschuf sich einen riesigen Wald, durch den er ging – einen Wald, wie er ihn noch nie gesehen hatte, wo die Bäume aneinanderstießen und ihre langen, dicken Äste ein Dach bildeten. Zu seinen Füßen lag ein silberner Pokal. Er hob ihn auf, nahm ihn ein Stück mit und erfreute sich an der Kühle an seinen Fingern. Oder war das nur Einbildung?
    Im Wald kam eine Lichtung, eine freie Stelle, und dort wuchsen hohe Gräser. Inzwischen war er barfuß, und er liebte das Gefühl von Gras zwischen seinen Zehen. Mitten auf der Lichtung war ein Teich. Das Wasser war ganz klar, also tauchte er den Pokal ein und trank. Es war kalt, aber er wußte, er konnte hineinspringen, und es wäre dann so warm wie ein Frühlingsabend. Erst überlegte er, doch es war nicht die Zeit.
    Also ging er weiter, und vor ihm war eine hohe Steinmauer. Wie es bei Träumen so ist, tauchte sie ohne Vorwarnung vor ihm auf, endlos lang in beide Richtungen und mächtig hoch über ihm. Einen Augenblick verzagte er, als wäre sie eine Drohung und kein Hindernis, aber dann dachte er: Das ist mein Traum, ich kann tun, was ich will.
    Und so flog er in die Luft wie ein Jhereg, kreiste einmal, dann ging es aufwärts, vorbei an der Mauer und über die Kluft der Zukunft hinaus, in die er springen oder klettern konnte, je nachdem, eine zufällige, doch bedeutungsvolle Wahl.
    Wie ein Jhereg?
    Da war ein Jhereg – nein, zwei –, die flogen über und unter ihm und fragten: Ist es nicht toll zu fliegen fliegen fliegen? Aber jetzt mußt du wählen wählen wählen.
    Es ärgerte ihn, daß Jheregs ihm sagten, was er zu tun hatte, deshalb weigerte er sich zu wählen und machte statt dessen so weiter, als er die Mauer überwunden hatte, weiter in die Höhe, leicht wie Luft, von den Zufallswinden gewärmt, bis die Last seiner eigenen Macht ihn niederzureißen drohte.
    »Ich brauche Flügel«, sagte er der Leere unter ihm.
    »Nein«, erwiderte eine Stimme, die er nicht kannte. »Du bist Flügel. Du fliegst nicht, du bist Flug.«
    Die Überraschung einer Stimme, wo eigentlich nichts außerhalb seines eigenen Willens existieren sollte, wurde von den Worten selbst gedämpft – was bedeutete das, Flug sein? Er war mittlerweile eingewickelt in das Traumgewebe, das er erschaffen hatte, und in diesem Wirrwarr verschwanden Kluft und Welt, und er blieb körperlos und nirgendwo, doch das bemerkte er kaum, denn das Fluggefühl verging nicht, was, wie ihm plötzlich aufging, die Antwort war.
    »Dann kann ich überallhin; ich kann alles machen.«
    »Ja.« Die Stimme war leise und hallte eigenartig in seinen Nicht-Ohren wider, unmöglich, Alter und Geschlecht zu erkennen und außerdem unwichtig.
    »Aber das ist nur mein Traum. Wenn ich wach bin, kann ich nicht fliegen, und es gibt nur einen Weg.«
    »Dieser Ort wird immer hier sein.«
    »Aber es gibt ihn nicht wirklich.«
    »Wirklich? Nein. Das stimmt. Der Trick ist, diesen Ort auf dem einen Weg zu finden, den du nur zu haben glaubst. Dann findest du vielleicht auch andere.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Hier lebt Vlad, oder?«
    »Manchmal.«
    »Seid Ihr G’mon, der Herr der Träume?«
    Die Antwort kam mit einem Lachen, das ihn an Polyis erinnerte: »Nein.«
    »Wer seid Ihr dann?«
    »Das ist nicht wichtig.«
    Unter ihm, um ihn herum waren Lichtpunkte. Er wußte, ohne es zu probieren, daß er sich auf jeden davon

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