Atlan 03 - Lepso 03 - Befreiung in Camouflage
kleinerer Städte und rief zum passiven Widerstand gegen die Machthaber auf, ohne dass es die lokalen Behörden wagten, persönlich oder mithilfe von Roboteinheiten einzugreifen.
»Ja«, antwortete Aizela schlicht. »Ich sagte dir schon mehrmals, dass ich von meinem Vater für diese Aufgabe konditioniert worden bin.« Sie schüttelte ihr Haar und fuhr leise fort: »Wir pflegten nicht immer das beste Verhältnis. Penzar da Onur war für mich eine Gestalt, die weit oben auf einem Sockel stand und befahl, was zu geschehen hatte. Er sorgte dafür, dass ich stets das Richtige tat. Aber meist handelte es sich um das für ihn Richtige. Meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse ließ er außer Acht.« Sie seufzte. »Er war mir und den anderen Familienangehörigen ein halsstarriger Despot, den Untergebenen auf Lepso ein unfreundlicher und unangenehmer Zeitgenosse. Erst vor kurzem erfuhr ich, welche finanziellen Opfer der Khasurn auf sich nehmen musste, damit ich jene Ausbildung genoss, die mir hier von Nutzen ist …«
Aizelas Schritt wirkte graziös. Huldvoll grüßte sie nach links und rechts, fasste einem vielleicht fünfjährigen Mädchen mit rotblondem Haar prüfend unter das Kinn und küsste es schließlich auf die Stirn. Die Mutter, die das Kind hielt, zeigte Tränen der Erregung. Wahrscheinlich konnte sie sich selbst nicht erklären, wieso.
»Vater meinte stets, dass die kleinen Dörfer und Städte, in denen die Ausbeutung der Bevölkerung besonders arg betrieben würde, jene Gebiete seien, die ich als Erste erobern sollte. Druck, so meinte er, entstand stets von ganz unten.«
Die da Onur strahlte Selbstbewusstsein, Charme, Unbeugsamkeit, Stärke und Hoffnung aus. Wo immer sie auftrat, hinterließ sie bleibenden Eindruck. Niemand schien sich ihrem Einfluss entziehen zu können. Auch Ohm nicht.
»Alles ist Psychologie«, sagte Aizela, während sie den versammelten Arkoniden des kleinen, verstaubten Nests zuwinkte und schließlich in den wartenden Gleiter stieg. »Ich bin eine Arkonidin und Adlige, allerdings mit einer besonderen Ausbildung. Ein jeder Schritt ist angelernt, eine jede Geste tausendfach geübt. Die Stimme. Die Haltung des Kopfes. Der Blick. Das Knicken eines Fingers. Selbst der Halt meines Haars besitzt eine Bedeutung.« Plötzlich fiel alles von ihr ab, die Illusion erlosch. »Ich bin die Kreatur meines Vaters. Ich weiß , dass ich Sadik für die da Onur zurückerobern werde. Es ist mir vorherbestimmt.«
Sie starteten.
»Wirst du bei mir bleiben, wenn es geschafft ist?«, fragte Aizela mit der Stimme eines Mädchens, das verzweifelt nach Halt suchte.
»Ich … weiß es noch nicht.« Ohm wandte sich ab, blickte auf das weite und flache Land seiner Heimat hinab.
Er log. Er wusste ganz genau, was er antworten würde.
»Es ist, als hätten wir eine Lawine ausgelöst«, sagte Erikon. »In den ländlichen Bereichen redet man bloß noch über Aizela. Über die Hoffnung, dass alles besser werden würde. Gart da Tromins Beliebtheitsgrad ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Jedermann, der dieses Weib gesehen hat oder ihm gar begegnete, kann sich vor Begeisterung kaum mehr einkriegen.«
»Ich höre die Worte aus deinem Mund kommen, stelle aber keine wahre Begeisterung fest«, sagte Ohm Santarin misstrauisch. »Vertraust du Aizela etwa nicht?«
»Sie ist Adlige«, sagte Erikon kühl. »Die da Onur ist in ähnlichen Sphären aufgewachsen wie die jetzigen Machthaber. Ich hoffte auf eine Revolution, die von der Basis her erfolgt; wo jedermann sagen kann, was er will. Wo Beschlüsse nach basisdemokratischen Diskussionen fallen …«
Du armer, armseliger Sozialromantiker , dachte Ohm, während Erikon seine Träume weiter vor ihm ausbreitete. Wie konnte ich jemals auf dich und deinesgleichen hereinfallen! Du sprichst von Gleichheit und Brüderlichkeit und verlierst dabei jeglichen Bezug zur Realität. Überall, wo Arkoniden zu Hause sind, regiert die starke Hand. Das Volk braucht seine Helden, seine Anführer, seine Ikonen.
Was hatte ihm seine Illusionen geraubt? Der langjährige Aufenthalt auf Lepso? Die Erfahrung mehrerer Jahre in einem der kompliziertesten Gesellschaftsgefüge der bekannten Milchstraße?
Nein. So einfach durfte er es sich nicht machen …
»Nachricht vom USO-Satelliten!«, meldete Aizela mit seltsamer Stimme über Funk an sein Multifunktionsarmband. Sie hatte sich in ihre gemeinsame Bunkerbasis zurückgezogen, um ein paar Stunden auszuruhen.
»Gibt's was Besonderes?«, fragte Ohm
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