Atlan 03 - Lepso 03 - Befreiung in Camouflage
sich selbst beanspruchten. »Gavivi« bedeutete schließlich nichts anderes als »Denkendes Wesen«. Die Gavivis studierten die Weißhaarigen. Sie erwiesen sich als selbstsüchtig, ignorant und blasiert. Sie achteten weder die Geschöpfe der heimischen Tierwelt noch sich selbst. Kabale und Heimtücke waren an der Tagesordnung. In ihrer Ignoranz blickten die Arkoniden über die einfachen Siedlungen des gavivischen Volkes hinweg, hielten sie für erbärmliche Behausungen halbintelligenter Primitiver.
»Was sollen wir bloß tun?«, fragte Frauz, einer der Ratsältesten, jene, die trotz ihrer Ängste in der Nähe des Sees und des Landeplatzes der Arkoniden verblieben waren. »Wir können uns den Zuzüglern nicht zu erkennen geben. Sie werden uns vernichten oder versklaven. Ihr Expansionsdrang ist zu ausgeprägt, um sie vom Vorhaben, die Heimat für ihre Bedürfnisse zu adaptieren, abhalten zu können.«
»Wir werden uns zurückziehen«, sagte Klamph, einer der bedeutendsten Psychologen des Volkes. »In die Wüstengegenden oder in die Sümpfe.«
»Die Arkoniden werden uns folgen«, rief eine Stimme aus dem Rund der kleinen unterirdischen Versammlungshalle. »Wenn nicht heute, dann in den nächsten Jahren. Sie sprechen von riesigen Siedlungen. Von Zerstörungen und Rodungen.«
»Ihr Metabolismus ist nicht für alle Bereiche der Heimat geeignet«, widersprach Klamph, während Frauz an den Rand der kleinen Bühne zurücktrat. »Die Wüsten werden uns für immer und ewig gehören. Darüber hinaus sind ihre Sinne zu stumpf, sie selbst zu dumm, um uns als Intelligenzwesen zu erkennen.«
»Die Arkoniden sind gekommen, um zu bleiben«, meldete sich Actusyn, einer der bekanntesten Tyarez-Träger, zu Wort. »Ihr glaubt vielleicht, diese Besucher aus dem All aussitzen zu können. Doch denkt an die Berichte, die uns Destin/Suwjush von seinen Reisen hat zukommen lassen. Die Rotäugigen betreiben eine äußerst aggressive Expansionspolitik, die sie vor nichts und niemandem haltmachen lässt. In wenigen Jahren werden sie den Lebensraum der Gavivis so sehr eingeschränkt haben, dass wir keine Luft mehr zum Atmen haben.«
»So weit wird es nicht kommen«, sagte Klamph im Brustton der Überzeugung. » Wir werden die Heimat umformen. Mithilfe der Tyarez sollte es uns gelingen, die Lebensbedingungen noch drastischer zu gestalten, als sie es ohnehin schon sind. Unser Metabolismus verträgt Veränderungen. Jener der Arkoniden nicht. Hitzezonen werden an Kältebereiche angrenzen. Wir werden Krankheitsträger und Viren in die Wohnhäuser der Arkoniden bringen, tektonische Linien anzapfen, Vulkanausbrüche forcieren, sprich: ihnen Hindernisse in den Weg legen, wo es nur geht.«
Manch ein Gavivi zischte und stöhnte leise. Frauz fasste das Unbehagen in Worte: »Wir gefährden damit das Leben der Arkoniden. Möglicherweise töten wir sogar manch einen von ihnen.«
Klamph blickte fragend in die Menge. »Was ist es uns wert, die Heimat wiederzugewinnen? Wie viel sind wir bereit, dafür zu bezahlen?«
Stille kehrte ein. Sie alle mussten diese ungewöhnlichen Gedanken des Psychologen erst einmal verinnerlichen. Klamph sprach niedere Instinkte an, die seit ihrer Intelligenzwerdung verborgen geblieben waren. Mussten sie nun darauf zurückgreifen? Würde der Weg des passiven Widerstandes ihre Psyche verändern, sie derart umformen, dass sie genauso wurden wie die meisten Lebewesen dieser Galaxis?
»Wir Tyarez-Träger sind mit dieser Entscheidung nicht einverstanden«, meldete sich Actusyn neuerlich zu Wort. »Wir fordern die Gavivis auf, mit uns die Heimat zu verlassen und anderswo Asyl zu suchen.«
Ein Raunen ging durch die Halle. Unruhig wurden Brustarme geschwenkt oder mit den Beinen auf den Boden gestampft.
»Wir werden unsere Heimat niemals verlassen«, erwiderte Klamph schließlich. »Die Gavivis könnten woanders nicht überleben.«
Ein Großteil der Zuhörer signalisierte Zustimmung. Einige wenige schwiegen nachdenklich. Das Volk war gespalten. Die zu erwartenden Diskussionen würden sie in ihrer Gesamtheit auf eine harte Belastungsprobe stellen.
Wenn Frauz die Reaktionen der Tyarez-Träger richtig beurteilte, war der heutige Tag ein Wendepunkt ihrer gemeinsamen Geschichte. Eine Ära ging zu Ende. Traurig wandte er sich ab und verließ die Halle. Nichts würde so bleiben, wie es einmal gewesen war. Und Schuld trugen die Arkoniden.
Kapitel 38
Der Hautträger war am Ende seiner Kräfte. Ich half ihm auf die Beine. Die glasiert
Weitere Kostenlose Bücher