Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Tristan. Und auch er hatte bisher nur Teile davon erkundet.
Mit Farbmarkern hatte Tristan eine Art dreidimensionales Schaubild aller dunklen Gänge, Hallen, Säle, Rampen und Schächte hergestellt, in die er bisher vorgedrungen war. Besondere Markierungen kennzeichneten die wenigen Stellen, an denen man in die Unterwelt abtauchen und aus ihr wieder hervorkommen konnte. Vor zwei Jahren hatte sich Tristan bei der Administration nach einschlägigen Plänen und Informationen erkundigt und zur Antwort bekommen, dass spätestens während der Dolan-Offensive viele Archive verbrannt und vernichtet worden waren. So auch die spärlichen Aufzeichnungen aus der Zeit, während der man den Kern der Metropole errichtet hatte.
In einer Phase überraschender Großzügigkeit hatte Olgej Zara Tristans Pläne gescannt und ein Programm geschrieben, das auf dem Monitor seines Handheld ein Holo seiner Erkenntnisse generierte. Weder die Stadtpolizei noch die Techniker der Stadtverwaltung kannten die Geheimnisse dieser Tiefe. Tristan begann, die Ergebnisse seiner drei letzten Vorstöße hinzuzufügen und erkannte, dass er zumindest an einer Stelle den tiefstmöglichen Punkt dieser dreidimensionalen Landschaft fast erreicht hatte. Hier, dachte er grinsend, waren er und die anderen von MEINLEID selbst vor den Fahndern der Solaren Abwehr sicher.
»Vielleicht könnte ich in einem anderen Leben mein Geld als Kanalsucher verdienen?«, murmelte er und schaltete den Home-Desintegrator ein. Das Gerät begann zornig zu summen und kreischte auf, als es die ersten Folien vernichtete. »Zuerst werde ich mich um Greta und Simmi kümmern. Hoffentlich ist Simmi nicht schon wieder besoffen.«
Tristan lehnte sich in seinem ächzenden Korbsessel so bequem wie möglich zurück, studierte das doppelt handgroße Hologramm und vollzog in Gedanken einige der schwierigen Abstiege nach. An wichtigen Kreuzungspunkten hatte er Ausrüstungsgegenstände und Energiemagazine versteckt. Orloff sorgte dafür, dass seine Hilfstruppen überall in der Stadt für Nachschub sorgten, ohne zu bezahlen. Tristan hasste diese Abhängigkeit von Simmi und Greta. Aber er sah keine andere Möglichkeit, sein Wissen zu verkaufen und trotzdem sein Stadtviertel zu erhalten.
Die ungeputzten Scheiben der Glassitwand zum Balkon färbten sich bernsteinfarben. Tristan überlegte, was er mit dem Rest des Tages anfangen sollte. Er wählte Olgejs Anschluss, aber sie meldete sich nicht. Im Kühlschrank fand er einige Fertiggerichte, entschied sich für Fleischwürfel, Mischgemüse und eine Pastete aus einer Oliven-Käsezubereitung, die er im Hochfrequenzherd erhitzte. Dazu trank er eine kalte Cola und entschloss sich, in dieser Nacht keinen Vorstoß in die Unterwelt zu unternehmen. Sie wollten sich bei Nykteris treffen. Greta und Simmi kannten den Treffpunkt Hades und fanden auch ohne ihn, Tristan, den Eingang in das Kavernensystem.
Er warf sich aufs Bett und schlief ein paar Stunden. Der Alarmsummer des überdimensionierten Chronometers weckte ihn. Er hatte von lautlosen Verfolgern und einer Liebesnacht mit Olgej geträumt und fuhr schweißgebadet in die Höhe.
7. April 3103
Es war eine sauber geplante Gemeinschaftsaktion von Baluchman, Anulphe und von ihr, »Nykteris«, gewesen. Zuerst hatten sie die Positronik eines mittelgroßen Lastengleiters geknackt und die Maschine in einem aufgelassenen Trainingscenter versteckt.
Eine zweite Gruppe entwendete Kennzeichen und die verschiedenen Nummern und Symbole eines Polizeigleiters. Mit diesen Klebefolien rüstete man den Lastengleiter aus, baute Kameras, einen ferngesteuerten Piloten, verschiedene Zünder und Akustikeffekte ein und belud den Gleiter mit Sprengstoff und Gasflaschen, die an unzähligen Stellen in drei Stadtteilen gestohlen worden waren. Ein Sprayerteam verwandelte das Gefährt mit wenig Farbe und viel Einfallsreichtum optisch überzeugend in ein Dienstgerät.
Die Anführer der MEINLEID-Gruppen trafen sich in der Nacht des sechsten April, zwei Tage nach Homer G. Adams’ Niederlage, in einem ehemaligen Reparaturdepot. Der Lastenaufzug hatte den Gleiter zwei Stockwerke tief unter die Oberfläche gebracht. Fingerdicke Elektrokabel hingen von der Decke und verschwanden in Scheinwerfern, denen man nicht mehr ansah, dass sie aus einem Offoff-Theaterbühnenfundus stammten. Weniger als vierzig Angehörige der militanten Kunshun-Szene umstanden den Gleiter und sahen interessiert den Arbeiten zu. Einige rauchten, andere
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