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Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Titel: Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Randonare, als Dunkelwanderer. Er dachte an seine Wohnung – noch war der Leidensdruck nicht groß genug, bewusst etwas ändern zu wollen.
    Tristan betrachtete die Köpfe und Schultern der vielen Menschen, nickte mehrmals schwer und aktivierte den Minikom am linken Handgelenk. Die abhörsichere Frequenz war eingestellt.
    Simmi Orloff meldete sich sofort. Seine Stimme übertönte den Lärm in der Halle. »Was gibt’s, Randonare?«
    »Ich hab alles gesehen und gehört«, sagte Tristan Li. »Ich kenne drei Männer, die Adams begleitet haben. Einer heißt Jerrisho, die beiden anderen sind von der Solaren Abwehr. Sie werden versuchen, dich und Greta festzunehmen.«
    »Darüber haben wir uns gerade unterhalten«, antwortete Orloff unbeeindruckt. »Wir werden für eine Weile verschwinden müssen.«
    »Nicht nur ihr beiden«, sagte Tristan. »Die Sicherheitsbehörden werden ihr ganzes Instrumentarium einsetzen: Spitzel, Bestechung, Kameras, Suchrobots und so weiter.«
    »Wissen wir. Wir müssen ausweichen. Nach unten, Li.«
    »Das wollte ich eben vorschlagen. Auch Diogén hat uns gewarnt.« Tristan glaubte erkannt zu haben, dass Greta und Simmi bisweilen Schwierigkeiten hatten, zwischen den Ebenen der Realität und der virtuellen Welt, in der sie unangefochtene Helden Kunshuns waren, klar zu unterscheiden. Würde die Administration die Energieleitungen von Kunshun kappen, wäre nach wenigen Tagen und Nächten der Rücksturz in die zivilisatorische Steinzeit vorprogrammiert. Genau diesen Umstand fürchteten Adams und Co, und Tristan fürchtete ihn ebenso.
    »Es wird ernst, Simmi. Nicht heute, denke ich, aber in den nächsten Tagen.«
    »Sehen wir nicht anders. Ich schicke unsere Spitzel in alle Richtungen. Wir treffen uns nachts bei Nykteris, ja?«
    »Einverstanden.« Tristan schaltete ab.
    Verglichen mit allen anderen Teilen der riesigen Metropole schien Kunshun – vor rund einem Jahrtausend hatte das Viertel noch Kounshoon geheißen –, Teil einer Parallelwelt zu sein. Die jungen Bewohner des Stadtteils – auch Vierzigjährige zählten sich dazu – wollten diesen Zustand wohl bewahren, obwohl sie in den Medien täglich Gegenbeispiele sahen. Tristan ahnte dumpf, dass sie sich alle vor der Schnelllebigkeit fürchteten, ohne deren Vorteile zu kennen. Aber sie betrieben Transmitterhopping und Beschaffungskriminalität als Leistungssport. Glinders junge Truppe zeichnete sich besonders darin aus; sie stahlen alles, was beweglich war und hatten eine unglaubliche Routine entwickelte. Wieder zuckte er mit den Schultern; sein eigener Standpunkt war reichlich diffus.
    Er sprang von der Balkonbrüstung, bahnte sich den Weg durch die verwüstete, menschenleere Wohnung dahinter und wartete, bis der mechanische Lift sich knarrend aus dem Keller heraufgequält hatte. Auf dem Dach, neben der von weißem Taubenkot bedeckten Mauer, wartete seine Airjet. Bevor er seine Wohnung ansteuerte, sah er sich um und nahm die Stimmung im Viertel in sich auf. Farbige Blitzreflexe zuckten vom Kybernetischen Turm über die Stadt hinweg, die im Licht der frühen Abendsonne lag.
    Noch drohte keine unmittelbare Gefahr.
    Er sicherte seine Jet, fuhr in seine Wohnung und schlüpfte in den ausgebeulten Overall. Auf dem Rücken verblich das Logo einer Goshun-Segelschule, die ausgewaschenen Schriftzeichen auf der Brust waren kaum noch zu lesen. Tristan räumte Camánabecher, halbleere Gläser und einige Stapel zerknitterter Zeichenfolien vom Tisch und griff nach seinen Dunkelwandererplänen.
    Mit erheblicher Mühe hatte er einen fast maßstabsgetreuen Plan der Untergeschosse und Keller von sieben Gebäuden entwickelt. Das Haus in der Mailo Road, in dem seine Wohnung lag, und sechs weitere in der unmittelbaren Umgebung des Phantasiaplatzes, besaßen keine direkten Zugänge zur Rohrbahn oder zu unterirdischen Transportwegen.
    Aber eine Ebene tiefer, in den dunklen, feuchten Kellern, sah es anders aus. Dort begann stellenweise und völlig ohne erkennbares System, die bauliche Vergangenheit Kunshuns. Ein großer Teil der Siedlung war vor Urzeiten am Ufer und im Flussbett eines periodischen Wasserlaufs errichtet worden, der in den Goshun-See mündete und erst viel später den Namen Sirius River erhalten hatte. Überbauungen, mächtige Gewölbe, meterdicke Fundamente und schier unzerstörbare Deckenkonstruktionen trugen die Hochbauten, Straßen und Unterführungen der Siedlung. Ein feuchtes Labyrinth der Vergangenheit, das nur wenige Menschen so gut kannten wie

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