Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Wir hoben die Gläser und tranken. »Nutzen wir den Umstand aus, dass im Augenblick keine größere Krise zu bewältigen ist. Gehen wir ein wenig schwimmen, legen uns ein wenig unter die Kunstsonne und essen ein wenig in einem der Center-Restaurants? Nur du und ich?«
»Gute Ideen. Und so aufregend neu«, sagte sie lächelnd und schlug die langen Beine übereinander. Der Glanz der Kirschblüten aus dem Gartenholo schimmerte in ihrem kurzen schwarzen Haar. »Und verbringen wir anschließend ein wenig die Nacht miteinander?«
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nickte ihr zu und leerte mein Glas mit kleinen Schlucken. Im gesteuerten Tagesablauf des ausgebauten Asteroiden herrschte Abendstimmung. In drei Stunden würde die sogenannte Nachtschicht beginnen. Ausnahmsweise brauchte ich mich – so hofften wir schweigend – augenblicklich weder um Aktivitäten des Carsualschen Bundes zu kümmern, noch um Zwischenfälle in der Zentralgalaktischen Union oder im Imperium Dabrifa. Obwohl – dies konnte sich schnell ändern.
Ich stand auf, setzte mich auf die Schreibtischkante und sagte leise: »Ja. Auch die Nacht. Es tut einem alten Arkoniden gut, bisweilen zu erleben, dass er wie ein normaler USO-Spezialist einen überschaubaren Arbeitstag hat.«
»Das Gleiche gilt für deine Stellvertreterin.« Decaree hob ihr leeres Glas. »Bekomme ich noch einen Schluck?«
»Selbstverständlich, Madame.« Ich holte die Flasche aus dem temperierten Schrank und leerte sie in unsere Gläser. Heute trug Decaree keine Wechselkontaktlinsen, die sonst in einem verwirrenden Rhythmus ihre Augenfarbe änderten. Decaree, aus dem uralten Geschlecht der de Farou-Moonthorne, eine Urur-Enkelin jener unvergleichlichen Decaree, die schon vor Jahrhunderten das Leben in Quinto-Center und, als meine Begleiterin und Geliebte, auf vielen Planeten verschönert und bereichert hatte, ähnelte ihrer Urur-Großmutter so stark, dass selbst mir manchmal Déjà-vu-Erlebnisse nicht erspart blieben.
Sie hatte spätestens während ihres Studiums an der Sorbonne in Paris (Allgemeines Terranisches Wirtschafts- und Verwaltungsrecht und Positronische Vernetzungslehre, beide summa cum laude ) den Geschmack und die Qualität französischer Weine und alteuropäischer Lebensart kennen gelernt. Ich registrierte begeistert, dass ihr der ausgereifte Chardonnay schmeckte. »Für den späteren Abend reicht mein Vorrat durchaus.«
Sie hob kokett die Schultern. An ihren schmalen Fingern trug sie nur einen Ring; eines meiner Geschenke. Und: Ihr Tagesparfum StarCephyre war ebenso sorgfältig ausgewählt.
»In der Dunkelheit unserer wenigen privaten Stunden ziehe ich, wie du dank deines perfekten Gedächtnisses weißt, ein wenig Champagner vor.«
»Auch dafür ist gesorgt.« Die Ränder unserer Gläser stießen aneinander. Der Klang erinnerte mich an den Schlag einer bestimmten Glocke der Kathedrale zu Chartres. Ich lachte kurz. Zu anderen Zeiten hatte ich aus der hohlen Hand, aus Holzbechern, schartigen Tonschalen oder Silberpokalen sauren Wein, warmes Bier und Schlimmeres getrunken.
In meinem privaten Bereich benutzte ich inzwischen mundgeblasene Gefäße. Diese Gläser waren aus marsianischem Sand hergestellt. Ich nahm Decarees Hand. »Mein Freund Rhodan, beziehungsweise die General Cosmic Company, hat auch diese Rechnung bezahlt. Wollen wir gehen?«
Sie nickte und stand auf. Als wir das Arbeitszimmer verließen, warf ich einen Blick auf den Schreibtisch. Die Gläser standen dicht nebeneinander und spiegelten sich auf der Platte.
Der Logiksektor kommentierte: Ein schönes Paar, Arkonide!
Decaree streckte sich neben mir aus und schloss die Augen. Im Kerzenlicht glänzte der Schweiß ihres vollkommenen, von viel sportlicher Betätigung geformten Körpers. Mit Decaree Farou verband mich mehr als eine intensive Liebschaft, denn als Stellvertreterin und sozusagen Konkurrentin der Generaladmiralin Adin Aneesa standen wir uns auch jenseits von Champagnernächten nahe. Es lag in ihrem Charakter, dass sie mir das Gefühl gab, der wichtigste Mann im Universum zu sein. Natürlich schmeichelte mir dies, auch wenn ich wusste, dass sie aus ihrem intuitiven Gespür heraus handelte. Mit dem Umstand, dass die Gefährtin eines potentiell Unsterblichen ihn stets nur einen Lebensabschnitt lang begleiten konnte, ging sie wie ihre Ahnin absolut souverän um. Für sie und mich bedeutete es kein Leid, keine Gedanken an Abschiedsschmerz, kein Grund für Verzweiflung. Einen Hauch
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