Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
und rücksichtslos.«
Ich hatte schweigend zugehört und versuchte, mit meiner Antwort Adams etwas zu beschwichtigen.
»Du und ich, wir Aktivatorträger, haben solche Vorwürfe schon oft gehört, Jahrhunderte lang, und wir haben sie alle überstanden.«
»Das ist so, und ich wäre stillschweigend darüber hinweggegangen«, sagte Adams und wählte einen neuen Single-Malt, »wenn die Teams von MEINLEID ihren Widerstand nicht hätten eskalieren lassen. Sie schwärmen von Kunshun aus in alle Richtungen, betreiben Transmitterhopping, fahren schwarz mit allen Rohrbahnen, versprühen ihre Verwünschungen überall in der Stadt und sabotieren wichtige Positroniken.« Adams Schultern ruckten in die Höhe; er machte eine Geste der Hilflosigkeit. »Auch das wäre noch hinnehmbar. Aber seit einigen Tagen wenden sie Gewalt an. Dinge und Einrichtungen werden zerstört. Gleiter der Verwaltung brennen. Sie haben eine Polizeistation gesprengt, drei Polizisten verletzt, einen getötet, und anschließend ist ein biologisches Labor in die Luft geflogen. Das war ein Selbstmordanschlag – sie haben einen ihrer Männer geopfert. Er war zwar – hat sich bei der Obduktion herausgestellt – todkrank, hätte aber noch Jahre leben können. Das war nicht das letzte Feuer, aber der bisher schlimmste Anschlag. Und sie drohen: Es geht weiter.«
Adams und ich blickten uns in die Augen. Ich schnupperte am torfigen Aroma des edlen Scotch und trank. Adams beugte sich zu mir herüber. Seine Stimme kämpfte gegen den rhythmisch drängenden Lärm an.
»Es ist uns gelungen, mindestens drei Anführer oder Hauptbeteiligte zu ermitteln. Sie tragen Kodenamen. Baluchman, Anulphe und Nykteris. In Wirklichkeit heißen sie Simmi Orloff, Greta Gale und Olgej Zara. Wir kennen auch ihre Wohnungen, aber alle drei sind verschwunden. Olgej ist vor zwei Jahren ausgezogen, ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Orloff und Gale sind ein Paar und wandern von Versteck zu Versteck. Bei einer Versammlung hat mich Orloff, wortgewandt und gekonnt, förmlich fertiggemacht.« Adams lachte kurz und schmerzlich. »Ich kann dir ihr Psychogramm und alle Informationen über sie geben. Sie sind nicht besonders ausführlich. Aber wegen der Zerstörungen, Explosionen und Graffiti hab ich auch nicht um deinen Besuch gebeten.«
»Jetzt wird’s spannend«, antwortete ich. »Was soll ich hier, außer schöne Erinnerungen aufzufrischen?«
»Wir haben lange überlegt, Atlan«, sagte er. »Es ist eine heikle Angelegenheit. Wir suchen einen Mann der Tat, der sich mit zeitgeschichtlichen Relikten aus Epochen beschäftigen kann, die längst vergangen sind.«
»Du spielst auf meine Geschichte auf Larsaf III an?«
»Ja. Ganz bewusst. Wir wissen nicht, wie der Fund zeitlich einzuordnen ist. Du und dein fotografisches Gedächtnis, nur ihr könnt helfen.«
»Verdammt! Welches Fundstück?« Ich schüttelte verdrossen den Kopf. »Raus mit der Sprache! Mach’s nicht so geheimnisvoll!«
»Alles an dieser Geschichte ist geheimnisvoll, Atlan. Warte einen Augenblick.« Er blickte auf die Uhr, sah sich im Raum um und zuckte mit den Schultern. »Ich warte auf einen 22-Jährigen, der die MEINLEID-Leute besser kennt, und der diesen Fund gemacht hat.«
»Er kommt hierher?«
»Er ist – war – einer der MEINLEID-Anführer. Für ihn ist jede Polizeistation, mein Büro oder das Gebäude der Stadtverwaltung eine Falle. Sagt er. Also: neutraler Treffpunkt.«
»Ich verstehe.«
Dann tranken wir, redeten und ergingen uns trotz der lauten Musik und des Geräuschorkans, den einige Hundert Gäste erzeugten, in Erinnerungen, bis ein menschlicher Kellner einen Gast an unseren Tisch führte. Die Männer, die für Adams’ Sicherheit verantwortlich waren, näherten sich unauffällig. Adams winkte sie zurück.
Ich hob den Kopf und hörte Adams sagen: »Das ist Tristan Li.« Er deutete auf mich und fuhr fort: »Und das ist Lordadmiral Atlan in notwendiger Verkleidung. Li, bestellen Sie, was immer Sie wollen – und dann berichten Sie uns, was Sie erlebt und gefunden haben.«
Der hochaufgeschossene junge Mann mit dem dunkelbraunen Zopf, der bis fast zum Gürtel reichte, setzte sich. Li wirkte gleichermaßen selbstbewusst und verstört. Es schien, als könne er mit seinem Selbstgefühl nicht richtig umgehen. Seine hochgewölbten Augenbrauen gaben seinem schmalen Gesicht einen permanent fragenden, erstaunten Ausdruck.
Als mich sein Blick traf, fühlte ich mich seiner Persönlichkeit und seiner Ausstrahlung
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