Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators
schneeweißen Gebräu breitete sich eine wohlige Wärme in ihrem Magen aus. Sie ließ sich auf einen der leidlich komfortablen Sessel fallen, die neben einem schlichten Tisch die einzige Einrichtung des Raums bildeten.
»Wie geht es ihm?«, fragte sie laut. Die GAHENTEPE reagierte sofort.
»Nicht gut«, erklärte sie mit ihrer geschlechtslosen und stets ein wenig unpersönlich klingenden Kunststimme. »Lordadmiral Atlan befindet sich unverändert in einem kritischen Zustand. Gemäß deiner Anweisungen erhält er aber noch immer die mit seiner Konstitution maximal vereinbare Strahlungsmenge. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einmal nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass …«
»Spar dir deine Bedenken für jemanden auf, der sie hören will«, unterbrach Trilith das Bordgehirn schroff. Sie betrachtete die Steuereinheit der GAHENTEPE schon lange nicht mehr wie eine gewöhnliche Positronik, auch wenn sich das Schiff als solche bezeichnet hatte – vermutlich um sie damals nicht zu überfordern. Inzwischen wusste Trilith allerdings, dass sich hinter den metallenen Wänden weit mehr verbarg als Schaltkreise, Speicherbänke und ein paar Hyperkristalle.
»Wie du willst«, tönte es aus unsichtbaren Akustikfeldern, die den Eindruck vermittelten, dass die Stimme des Bordrechners aus allen Richtungen zugleich kam. »Ich befürchte jedoch, dass du die Kräfte deines Gastes überschätzt. Er war dem Einfluss des Gatusains zwar nicht allzu lange ausgesetzt, aber es handelte sich um den Sarkophag eines Navigators. Du weißt, was das bedeutet.«
»Weiß ich das?«, fragte Trilith.
»Darauf erwartest du hoffentlich keine Antwort von mir.«
Für einige Sekunden herrschte absolute Stille. Die in der GAHENTEPE installierten Maschinen arbeiteten weitgehend lautlos. Nur wenn man bewusst darauf achtete, konnte man ein leises Summen hören, so als wäre irgendwo in den verwinkelten Tiefen des Diskusschiffes ein Schwarm Schnacksen auf Nahrungssuche.
»Natürlich nicht«, sagte Trilith spöttisch lächelnd. »Ich bin es gewohnt, mir die Antworten auf meine Fragen hart erarbeiten zu müssen.«
Das Schiff schwieg und sie wusste nur zu gut warum. Auch wenn die GAHENTEPE streng genommen nur ein Werkzeug gewesen war, wenn es lediglich Anweisungen ausführte, so konnte Trilith das, was es ihr angetan hatte, nicht einfach vergessen. Dazu waren die Wunden zu frisch, und viele davon würden wahrscheinlich niemals verheilen.
Trilith hatte sich angemessen revanchiert. Sie hatte gesucht und tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, dem Diskus Schmerzen zuzufügen. Große Schmerzen. Und die Tatsache, dass die GAHENTEPE am Ende einen Punkt erreichte, an dem sie nicht mehr in der Lage gewesen war, diese Schmerzen zu ertragen, ließ sie auf groteske Weise menschlich erscheinen.
Hatten sie die durch die Gänge und Räume hallenden Schreie des Bordgehirns berührt? Hatten das tagelange Wimmern und Klagen, die schluchzend hervorgebrachten Appelle an ihr Mitgefühl den Zorn in ihr mildern können? Nein!
Das Diskusschiff – das wusste Trilith jetzt mit Sicherheit – war weit mehr als nur ein unbelebtes Konglomerat aus Stahl und technischen Bauteilen. Es besaß ein eigenes Bewusstsein und somit die Fähigkeit, seine Handlungen nach ethischen Prinzipien zu bewerten. Es war die GAHENTEPE gewesen, die Lalia Bir getötet und sie, Trilith Okt, verstümmelt hatte. Dafür gab es keine Entschuldigung, höchstens Vergebung, und letztere war Trilith nicht bereit gewesen zu gewähren.
Vergebung ist die letzte Hoffnung des Verlierers , hörte sie die Stimme ihres einstigen Lehrers Romeus Abrom sagen. Vergeltung dagegen ist das erste Recht des Siegers.
Also hatte sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht und den Willen des Diskusschiffes letztendlich gebrochen. Ihre Belohnung war eine Reihe von höchst aufschlussreichen Daten gewesen, die die GAHENTEPE preisgab, und die sie ihrem Ziel, der Klärung der eigenen Herkunft, ein gutes Stück näher brachten.
Kurz darauf hatte sich ihr Weg erneut mit dem des Lordadmirals gekreuzt, und zu ihrer nicht geringen Überraschung musste sie erkennen, dass sich auch der USO-Chef auf der Spur der Illochim befand. Mehr noch: Atlan war im Besitz zweier Gatusain, und einer davon hatte offenbar einst einem Navigator gehört!
Trilith wartete geduldig und beobachtete die Entwicklungen auf Orgoch aus sicherer Entfernung. Überrascht nahm sie zur Kenntnis, dass sich der Arkonide einem der beiden Sarkophage anvertraut hatte –
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