Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators
Standhaftigkeit ihre Grenzen hat ?, wisperte der Extrasinn. Mir musst du nichts vormachen, Arkonide. Helden waren schon immer kaum mehr als der Stoff für Tragödien. Sei dem Schicksal für deine Schwächen dankbar, denn sie führen dir ab und an vor Augen, dass du nicht besser als alle anderen bist. Den Unterschied machst nur du allein aus.
»Nach deiner Zeitrechnung schreiben wir heute den 2. Juni 3103«, hörte ich Triliths Stimme wie durch eine dichte Wand aus Watte. Es dauerte lange Sekunden, bis ich das Dröhnen in meinem Schädel so weit zurückgedrängt hatte, dass ich wieder klar denken konnte.
»Wir haben Orgoch vor gut dreißig Stunden verlassen und befinden uns derzeit am Rand der galaktischen Eastside, etwa fünftausend Lichtjahre entfernt von Gatas.«
»Die ESHNAPUR …?«, begann ich, doch Trilith ließ mich nicht ausreden.
»… ist wie abgemacht auf dem Weg nach Terra. Glaub mir, Lordadmiral, du hast im Moment ganz andere Sorgen.«
»Ich bin in Ordnung«, knurrte ich und wollte mich von der Liege schwingen. Trilith drückte mich ohne Mühe auf das Lager zurück und machte mir damit klar, dass ich noch längst nicht wieder bei Kräften war. Sie trat einen Schritt näher und beugte sich so tief zu mir hinunter, dass die Spitzen ihrer Haare meine Wangen berührten. Der herbe, nicht unangenehme Duft, der dabei in meine Nase stieg, ließ mich unwillkürlich an Decaree Farou denken. Als sei es erst gestern gewesen, dass ich mit dieser ebenso intelligenten wie betörenden Frau in Quinto-Center einen der wenigen entspannten Abende verbracht hatte, die mir meine Rolle als USO-Chef gestattete.
»Ich gebe dir den guten Rat, das hier sehr ernst zu nehmen, Lordadmiral.« Ihre bisherige Gelassenheit war auf einmal wie weggewischt. »Ich musste deine Behandlung für einige Zeit unterbrechen. Dein Kreislauf drohte zu kollabieren. Die Tatsache, dass wir überhaupt miteinander sprechen können, verdankst du lediglich den Schmerzmitteln, die ich dir injiziert habe – in Mengen, die einen normalen Menschen auf der Stelle töten würden. Du hast mit dem Feuer gespielt und stehst noch immer in Flammen. Glaub mir, ich beneide dich nicht um das, was dir in den nächsten Tagen bevorsteht.«
»Willst du mir … Angst machen?«, brachte ich mühsam hervor. Der dicke Kloß in meinem Hals wuchs mit beängstigendem Tempo.
»Nein.« Trilith schüttelte in einer vollendet terranischen Geste den Kopf. »Das muss ich gar nicht. Du hast genug Angst für uns beide.«
Als ich erwachte, war ich allein. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie viel Zeit seit dem letzten Gespräch mit Trilith Okt vergangen war, und um ehrlich zu sein, war es mir auch egal.
Die Liege unter mir schien zu vibrieren und es dauerte eine Ewigkeit, bis ich begriff, dass ich selbst es war, der diese Erschütterungen erzeugte. Meine Muskeln zuckten unkontrolliert, ver- und entkrampften sich in schneller Folge, so als fühlten sie sich in meinem Körper nicht mehr wohl und wollten sich mit Gewalt ihren Weg in die Freiheit bahnen. Mein Herz schlug ohne jeden Rhythmus, setzte immer wieder für mehrere Sekunden aus, nur um seine Arbeit dann von Neuem und umso ungestümer und nachhaltiger aufzunehmen. Zumindest kam es mir so vor.
Ich hörte das entfernte Wispern des Extrasinns, doch ich verstand kein Wort. In meinen Ohren rauschte das Blut, eine zähe, ätzende Masse, die sich geradezu widerwillig durch meine Adern wälzte.
Die Zuckungen erinnerten an einen epileptischen Anfall, ein Leiden, das auf der Erde schon lange vor der Zeitenwende bekannt gewesen war. In den diversen Kulturen hatten die so Erkrankten wahlweise als von den Göttern auserwählt oder von Dämonen besessen gegolten. Ich musste unwillkürlich an meine Erlebnisse im alten Rom denken. Damals mussten angehende Soldaten bei ihrer Musterung durch ein rotierendes Wagenrad in die Sonne schauen. Erlitten sie einen Anfall, wurden sie aussortiert. Später hatte ich dem an Epilepsie leidenden Julius Cäsar mehrfach mittels geeigneter Medikamente aus den Arsenalen meiner Unterwasserkuppel bei schweren Anfällen Linderung verschafft.
Die Ursache epileptischer Anfälle waren wahllos feuernde Neuronen im Gehirn. In der galaktischen Medizin galt die Krankheit als ausgerottet beziehungsweise mit standardisierten und nahezu nebenwirkungsfreien Antikonvulsiva problemlos beherrschbar. Hatte Trilith nicht gesagt, dass ich Medikamente bekommen hatte? Wenn das der Fall war, taugten diese entweder
Weitere Kostenlose Bücher