Atlan 13 - Monolith 03 - Echo der Verlorenen
Wirklichkeit und schmeichelnder, willengesteuerter Illusion, verband sich mit dem behaglichen Schaukeln des Heißluftschiffs und dem mystischen Dschungelnebel, der die Geräusche schluckte und die Phantasie zu waghalsigen Sprüngen anregte. Selbstverständlich hatte der Arkonide, der jede Frau der halben Galaxis haben konnte, ihr langes, rotes Lockenhaar bemerkt; nicht jetzt, sondern im Schiff, als sie Zeit gehabt hatte, es vorteilhaft zu frisieren. Selbstverständlich kannte er die Blicke ihrer blauen Augen. Und dass er ihren gertenschlanken Körper übersah, dessen fabelhafte Rundungen selbst die Bordkombination nicht tarnen konnte, war so wahrscheinlich wie eine würfelförmige Sonne.
Da sie Hobby-Archäologin war, hatte Atlans Verweilen auf der Terra vorimperialer Epochen zu faszinierenden – wenn auch seltenen – Gesprächen geführt. Er hatte Fragen nach sechs Jahrtausende alten Geschehnissen aus eigener Erfahrung beantworten können. Er störte sich nicht daran, dass ihr Job als Versorgungsoffizier ihr die Scherz-Bezeichnungen »Koch«, »Smutje« und »Vorspeisen-Maat« eingetragen hatte. Rauer Schiffs-Alltag eben.
Seit ihre Brandverletzungen abgeheilt waren und sich die Spuren mit einer Höhensonne beseitigen ließen, versuchte sie, den ständigen Umgang mit ihrem höchsten Vorgesetzten zu nutzen und dem Mann Atlan näher zu kommen, ohne dass ihr natürlicher Respekt vor dem Lordadmiral verlorenging. Er war und blieb der Chef, aber so wie jedem einmal die Stunde schlug, hatte auch jeder einmal »Die Große Chance«.
Jetzt kämpfte sie an Atlans Seite, und die Ereignisse der Lumbagoo-Tage hatten nichts mit ihren Träumen zu tun. Die Träume gehörten zu einer anderen Welt – in einer anderen Zeit und an anderem Ort.
Aber wenn sie ihre Chance sah, würde sie zuschlagen. Erbarmungslos. Mit dem richtigen Schmuck, dem richtigen Parfüm, den ganz hohen Absätzen und einem Kleid aus diamantenem Sternenfunkeln. Nur einmal. Nur eine endlos lange Nacht. Danach konnte sie sich mit einem Mann des Durchschnitts zusammentun, denn alle anderen blieben Durchschnitt; sie hingegen würde ihre Erinnerungen haben. Aber jetzt trug sie einen Kampfanzug, der nach Schweiß, Gummi und recycelter Atemluft roch, die Stiefel hatten flache Kontursohlen, und ihr einziger Schmuck waren Blaster und Kombistrahler.
Wie aus einer Lagune mit smaragdfarbenem Wasser tauchte sie aus dem Halbschlaf auf. Sie fühlte sich gerädert und zerschlagen, müde und kurz davor, übellaunig zu werden. Sie öffnete die Augen, sah das seichte, seelenlose und sonnendurchflutete Medium, das um das Schiff waberte, und entschloss sich, den Traum abzubrechen.
Caliphers optische Zellen hatten sich mit schwachem Leuchten auf sie geheftet. Sie nickte ihm schuldbewusst zu. Es schien, als habe er jeden Augenblick ihres Traums miterlebt, gespeichert und positronisch auf Wahrscheinlichkeit analysiert.
Feuchtigkeit, dann Nässe, schlug in ihr Gesicht und tränkte ihr Haar. Sie blickte verwirrt um sich. Smaragdstrand? Brandung? Nein: Regen!
Als wir das Ufer des Stroms erreichten, der undeutlich unter uns mehr zu ahnen als zu sehen war, begann der Nebel dichter zu werden und sich in Regen zu verwandeln.
Regen auf Lumbagoo? Ich war überrascht; keiner von uns hatte daran gedacht. Aber da die Mannschaft des Schiffes nicht in hektische Betriebsamkeit ausbrach, sondern nur bunte Kopfbedeckungen aufsetzte und ledern glänzende Jacken anzog, gewöhnte ich mich an die Vorstellung, dass Regen zum normalen Wetter des Mondes gehörte.
»Man wird nass, Sir«, kommentierte Iasana Weiland lächelnd, »aber dafür sind wir etwas schwerer zu orten.«
»Dabei geht es um ein paar Prozent. Ich setze voraus, dass die Silberherren zumindest über herkömmliche Ortungstechnik verfügen.« Elks zog die Schultern hoch und setzte sich eine Stoffkappe auf.
Aus dem Nieselregen wurde richtiger Regen mit schweren Tropfen, die auf die Ballons schlugen und sich zu Rinnsalen sammelten, die an der Rundung herunterliefen. Unbeeindruckt bahnte sich die GEWINN ihren Weg durch die Schauer. Aus dem Wasser des Stroms, dessen Oberfläche vor einer Stunde noch geglänzt hatte, wurde ein bleistumpfes breites Band.
Einzelne Windstöße ließen das Schiff schwanken. Unter ihrem Einfluss fielen die Tropfen nicht mehr senkrecht, sondern kamen schräg aus wechselnden Richtungen. Der Regen dauerte länger als eine halbe Stunde, dann hörte er jäh auf. Der Nebel lichtete sich innerhalb der
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