Atlan 14 - Monolith 04 - Der Silbermann
Moment wurde ich von einem rasenden schwarzen Schatten gestreift, der wie ein Geschoss hinter Santjun her flog.
Claudrin!
Der eineinhalb Meter große und fast ebenso breite Epsaler verfügte über die körperlichen Kräfte und das Reaktionsvermögen seines Volkes. Im Nu hatte er den Terraner eingeholt und gepackt. Santjun wehrte sich wie ein Löwe, doch aus Claudrins Griff konnte er sich nicht befreien.
»Kommen Sie da weg!«, befahl ich scharf. »Sie sind hochgradig gefährdet!«
Claudrin bestätigte keuchend, legte sich Santjun über die linke Schulter und fuhr herum. Er stapfte los, kam aber nur wenige Meter weit. Seine Schritte wurden langsamer, als watete er durch zähen Sirup. Schließlich erstarrte er völlig.
Nun haben wir ein ernsthaftes Problem , sagte der Extrasinn. Allem Anschein nach stecken sie in einem Temporalfeld. Wie holen wir sie da wieder heraus?
»Die Zukünftigen«, ließ Calipher-SIM verlauten, der sich unbemerkt neben mir postiert hatte.
»Wie bitte?«, gab ich überrascht zurück.
»Basierend auf Informationen, die ich soeben rekonstruieren konnte: Es handelt sich um eine lemurische Sage. Die Beschreibung könnte auf Major Santjun und Oberleutnant Claudrin passen. Sie behaupteten, sie kämen aus der Zukunft. Ihre Spuren verloren sich bereits nach kurzer Zeit wieder. Man sagte, dass sie einen Weg gesucht hätten, in ihre Zeit zurückzukehren. Daraus entstand das Sprichwort ›Du bist nur in deiner Zeit glücklich.‹«
Eine abenteuerliche Geschichte , kommentierte der Extrasinn.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht glauben! Das sind nicht die Zukünftigen aus deiner Erzählung, Calipher-SIM.«
Dennoch stieg ein Anflug von Verzweiflung in mir hoch. Was, wenn Calipher-SIM Recht hatte und die beiden USO-Angehörigen durch die temporale Anomalie tatsächlich gerade um Zehntausende von Jahren durch die Zeit gereist waren?
»Nein«, hörte ich Naileth Simmers erschrockene Stimme in meinem Empfänger.
Kapitel 9
Die Vereinbarung: Onjar Marik
Verflucht!
Ihnen war nicht nur die Ausrüstung, sondern auch der gesamte Silberschmuck abgenommen worden. Marik fühlte die Anstrengungen der letzten Stunden in seinen Knochen stecken wie die Gicht in einem Tattergreis. Sein Körper schrie geradezu nach dem Silbermetall, das ihm Vitalität und Kraft verlieh.
Rastlos tigerte der Silberherr im vorderen Bereich der Zelle umher. Er hasste dieses Gefühl und ganz besonders hasste er es, wenn ihm das Heft des Handelns aus den Händen gerissen wurde. Er war ein Macher, ein Tatmensch. Er agierte – und bestimmte so nicht nur über sein eigenes Leben, sondern auch über das der Menschen in seiner Umgebung.
Seit sie in diese Zelle gesteckt worden waren, hatte er gefordert, mit einem Verantwortlichen sprechen zu können. Doch die Stunden waren ergebnislos verstrichen, und Marik war immer nervöser geworden.
Er galt allgemein als berechnender Charakter, der gelegentlich zu Wutausbrüchen neigte. Er selbst wusste, wie dünn die Kruste seiner Beherrschung und wie explosiv die brodelnden Emotionen darunter wirklich waren.
Oftmals spielte er gezielt mit der Erwartungshaltung seiner Umgebung, war beherrscht, wenn die anderen bereits die Köpfe einzogen, und schrie los, wenn sie es nicht erwarteten.
In diesem Moment entlud sich seine Wut unkontrolliert. Er packte einen Kunststoffstuhl und warf ihn schreiend gegen die Glasscheibe, die ihre Zelle begrenzte.
Der Stuhl fiel polternd zu Boden. Die Scheibe hatte nicht den geringsten Kratzer abbekommen.
»Ich will endlich einen Verantwortlichen sprechen!«, brüllte Marik und schlug mit den Handflächen gegen die Scheibe.
Er tobte so lange, bis jemand auftauchte.
Dem Anschein nach handelte es sich um einen Akonen; nicht sehr großgewachsen, mit dem typischen samtbraunen Teint seines Volkes, schwarzem, gescheiteltem Haar und gelangweiltem Gesichtsausdruck. Er trug eine graue Uniform mit weißen Streifen, die ihn mehr wie einen Diener als einen Soldaten aussehen ließ.
»Unser Gebieter Magor wird dich nun empfangen«, sagte er, nahm ein schwarz glänzendes Band hervor und berührte eine Kontaktfläche an der Wand neben der Zelle. Auf Bodenhöhe öffnete sich die etwa dreißig Zentimeter breite und fünfzehn Zentimeter hohe Öffnung, durch die vor wenigen Stunden Tabletts mit undefinierbaren, aber anscheinend nahrhaften Substanzen hindurchgeschoben worden waren. Der Akone bückte sich und warf das schwarze Band in die Zelle. Als wäre es
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