Atlan 14 - Monolith 04 - Der Silbermann
die atmosphärischen und hyperphysikalischen Störungen jedoch exponentiell angestiegen. Ich rechne mit einer Zuspitzung der Verhältnisse und rate zu einem sofortigen Verlassen dieser Zone.«
Ich blickte mich um. »Letzte Gelegenheit, sich auszurüsten. Miss Marcos?«
»Ich bin soweit.« Sie schaltete den Bildschirm aus und steckte den Datenkristall in ein Fach ihres Anzugs.
»Major Simmers, lassen Sie Santjun eine kräftige Dosis Adrenalin verabreichen. Er muss auf jeden Fall selbstständig handlungsfähig sein, wenn wir aufbrechen.«
Naileth Simmers warf mir einen undefinierbaren Blick zu und machte sich wortlos an Santjuns Anzug zu schaffen.
Sie ist emotional mit ihm verbunden , schoss es mir durch den Kopf.
Naileth Simmers wurde in galaktischer Medizin ausgebildet , entgegnete der Extrasinn. Deshalb ist es nur logisch, dass sie Mühe damit hat, ihm nicht helfen zu können. Oder spricht hier vielleicht der Neid aus einem uralten, unwiderstehlichen Arkoniden, weil sich amouröse Verstrickungen einmal nicht um ihn selbst drehen?
Ich überhörte den Spott meines anderen Ichs.
Naileth Simmers sah auf und nickte. »Er wird handlungsfähig sein. Wir müssen ihn aber so schnell wie möglich von einem erfahrenen und gut ausgerüsteten Arzt behandeln lassen. Er steht die Belastungen nicht mehr lange durch.«
Wie zur Bestätigung bäumte sich Santjun auf, die Augen weit geöffnet, und holte rasselnd Luft.
»Ich werde mein Möglichstes tun«, sagte ich ernst.
Gemeinsam halfen wir ihm auf die Beine. Er war immer noch benommen. Die Bewegungen wirkten fahrig, doch ich vertraute darauf, dass bei einem Mann wie Santjun in den entscheidenden Momenten die antrainierten Mechanismen greifen würden.
Wir verschlossen unsere Anzüge und nahmen gegenseitig einen sorgfältigen Partnercheck vor. In Situationen wie dieser war es eminent wichtig, dass uns keine Flüchtigkeitsfehler unterliefen. Nach Stunden der starken körperlichen und geistigen Verausgabung konnte sich ein kleines Versehen – ein nur flüchtig geschlossener Helm, nicht korrekt befestigte Ausrüstung – verheerend auswirken.
In Zweiergruppen traten wir in die Schleuse, zuletzt ich mit Santjun. Nachdem sich die innere Schleusentür geschlossen hatte, öffnete sich sogleich die äußere. Sofort sah ich, dass sich die Verhältnisse draußen grundlegend geändert hatten.
Es schneite.
Dicke Flocken aus einer Substanz, die unsere Sensoren nicht eindeutig identifizieren konnten, fielen auf uns nieder. Am Himmel flackerten phosphorgrün leuchtende Wellenbänder, die mich an die Nordlichter in den kalten skandinavischen Winternächten erinnerten. Dichte Nebelschwaden bildeten sich. Sie blieben an derselben Stelle, obwohl ein steter Wind die Schneeflocken sanft wirbeln ließ.
»Was geschieht hier?«, flüsterte Santorin. Seine Frage drückte zweifellos alle Gedanken aus, die in diesem Moment in unseren Köpfe kreisten.
Unwillkürlich hatte ich Santjuns linken Oberarm gepackt, um ihm zusätzlichen Halt zu verschaffen. Er schüttelte ihn aber ab und machte zwei Schritte von mir weg. Dann hob er den linken Arm und zeigte auf eine der Schwaden, die sich wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt, langsam zusammenzog und verdichtete.
»Das ist …«, begann er, brach jedoch wieder ab.
Wir konnten es alle sehen.
Der Dunst formte sich zu einem stehenden Oval, das mehrfach durch Kerben unterteilt war.
»Einer der Verlorenen «, brach es schließlich aus Amelia Marcos hervor.
Eindeutig. Die Einschnürungen zeichneten sich schärfer ab und markierten schließlich sieben charakteristische Panzersegmente, wie wir sie von den Verlorenen kannten. Das zweitunterste, elastische Segment diente zur Fortbewegung, während das oberste – wie ich annahm – die Organe zur Sinneswahrnehmung barg. Jedenfalls drehte der Ovaloide dieses Segment sachte hin und her, als ob er etwas suchen würde.
Das drittoberste Segment glich in seiner Form dem Beinsegment. Es hielt ein langes, dünnes Rohr, das der Verlorene umher schwenkte.
Santjuns Stimme kam röchelnd über den Helmfunk herein. »Eine Waffe. Er trägt eine Waffe!«
»Ruhig Blut, Major«, sagte ich beschwichtigend. »Er ist nicht real.«
Ich hatte noch nicht ausgesprochen, als sich weitere Schwaden manifestierten und zu Verlorenen wurden. Es waren exakt zwei Dutzend Wesen, die keine achtzig Meter vor uns entstanden waren – und erstaunlich echt wirkten. Sie alle bewegten sich leicht, machten ein paar kurze Trippelschritte in
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