Atlan TH 0001 – Raumschiff SOL in Not
Buhrlos machten einen erleichterten Eindruck.
In diesem Augenblick sprach einer der Interkomlautsprecher an. Eine wohltönende, freundliche Stimme erklang. Herlw hörte sie zum ersten Mal.
»Sagoth Herlw«, sagte sie. »Melde dich sofort in deiner zuständigen Zentrale.«
Herlw schoss das Blut in den Kopf. Er fühlte sich bei einer strafbaren Handlung ertappt. Sein krankhafter Ehrgeiz drohte ihm nun zum Verhängnis zu werden.
»Ich ... äh ... werde sofort ... kommen«, stammelte er.
Er wagte nicht, die Buhrlos noch einmal anzusehen, denn er wollte den Triumph, den sie in diesem Augenblick zweifellos empfanden, nicht in ihren Gesichtern ablesen. Er überlegte fieberhaft, wer ihm diesen Befehl erteilt hatte. Die Ahlnaten, die seiner Gruppe vorstanden, kannte er alle. Der Sprecher gehörte nicht zu ihnen. Das konnte nur bedeuten, dass sich ein Bruder einer höheren Kaste eingeschaltet hatte, vielleicht sogar ein Magnide.
Herlw zog sich rückwärtsgehend bis zum Ausgang zurück und stieß die Tür zu. Als er allein auf dem Gang stand, atmete er auf. Er begann wieder klarer zu denken. Im Grunde genommen konnte man ihm keine Vorwürfe machen. Gegenüber Vorgesetzten konnte er argumentieren, dass er die drei Buhrlos hatte beobachten wollen, um sie bei ihrer Tätigkeit nicht vorschnell zu stören. Sein Plan war gewesen, sie unter allen Umständen zu überführen – und das wäre auf einen bloßen Verdacht hin schwer gewesen.
Die Stimme ging ihm jedoch nicht aus dem Sinn.
Und plötzlich wusste er, was ihn an ihr so irritierte: Sie hatte das Interkosmo mit einem seltsamen Akzent gesprochen, nicht, wie es dem Umgangston an Bord entsprach. Der High Sideryt konnte es nicht gewesen sein, dessen Stimme hatte er schon ein paarmal gehört, als der Anführer der SOLAG über Interkom zu allen Brüdern gesprochen hatte.
Als Herlw seine zuständige Zentrale erreichte, vibrierte er innerlich vor Furcht. Seltsamerweise schien ihn niemand zu erwarten. Ein paar Ferraten lungerten im Bereitschaftsraum herum. Keiner der zuständigen Ahlnaten war zu sehen. Herlws Verwirrung wuchs.
Er versuchte, sich so unbefangen wie möglich zu verhalten.
»He, Sagoth!«, rief eine Ferraten-Frau, die aus einem Nebenraum trat.
Herlw zuckte zusammen. Er kannte sie. Sie hieß Arsa Griehl und war schon ein paarmal mit ihm zusammen auf einem routinemäßigen Inspektionsrundgang auf Deck 23 gewesen.
»Hallo!«, grüßte er schwach. »Sind Machier und Domes nicht hier?« Machier und Domes waren die beiden Ahlnaten, die diesen Ferraten-Stützpunkt beaufsichtigten.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich ... ich bin zurückgerufen worden«, brachte Herlw hervor. »Ich soll mich hier melden.«
Arsa trat mitten in den Bereitschaftsraum und wandte sich an die Rostjäger, die gelangweilt irgendwelchen Beschäftigungen nachgingen.
»Weiß einer von euch, warum Sagoth herkommen soll?«, erkundigte sie sich.
Herlw blickte in teilnahmslose Gesichter. Ein junger Ferrate zuckte mit den Schultern.
»Du kannst nur warten«, meinte er gleichgültig.
Herlw zog sich langsam zurück, seine Gedanken purzelten durcheinander. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er begann zu ahnen, dass an dieser Sache weitaus mehr war, als er bisher angenommen hatte.
Warum habe ich mich nur darauf eingelassen?, fragte er sich. Wenn er Pech hatte, wurde aus dem erhofften Aufstieg ein Absturz ins Nichts: die Entlassung aus der Kaste! Danach wäre er zu einem Ausgestoßenen geworden, zu einem Paria, nur noch vergleichbar mit den Monstern, auf die überall im Schiff Jagd gemacht werden konnte. Er schauderte bei dieser Vorstellung.
In diesem Augenblick betrat Machier den Raum. Herlw starrte ihn wie hypnotisiert an.
In seinem hellblauen Gewand, das bis auf den Boden fiel, schien der Ahlnate zu schweben. Machier hatte ein knochiges Gesicht; die beiden Augen wirkten darin wie selbstständige Wesen. Mit seiner vorspringenden Unterlippe und der scharfrückigen Nase wirkte er grausam. Dennoch galt er allgemein als beherrscht und umgänglich.
Unwillkürlich musste Herlw daran denken, dass in den Reihen der fast siebenhundert Ahlnaten angeblich ein geheimnisvoller Anführer existieren sollte, der sogenannte SOL-Hirte. Allerdings waren das nur unbestätigte Gerüchte. Niemand wusste, ob dieser Mann wirklich existierte.
Machier durchquerte den Raum. Seine Blicke wanderten nach allen Seiten, streiften Herlw ohne besonderes Interesse und glitten dann weiter. Der Ferrate stand da wie versteinert. Machier
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