Atlan TH 0003 – Der Katzer
rührte. Es war Sternfeuer, die schließlich den Bann brach.
»He, Bjo!«, rief sie. »Wie lange sollen wir das Ding noch halten? Es ist verdammt schwer.«
Endlich kam wieder Leben in die Anwesenden. Jemand lachte, andere begannen zu sprechen, während sich auch Bjo Breiskoll aus seiner Starre löste. Geschmeidig trat er auf die Zwillinge zu und nahm ihnen die Platte ab.
»Vielen Dank, ihr zwei«, lächelte er.
Man konnte ihm ansehen, dass seine Freude echt war. Wie eine Trophäe hielt er die Platte über den Kopf und trug sie zum Tisch.
»Eigentlich hätten wir gar nicht kommen dürfen«, plapperte Federspiel hinter ihm her. »Mutter war nicht sehr begeistert, als wir dich mitten in der Nacht besuchen wollten, aber dann hat sie es doch erlaubt. Allerdings müssen wir gleich wieder gehen. Du bist uns deshalb nicht böse, nicht wahr, Katzer?«
Es war eine fließende Bewegung, mit der Bjo Breiskoll die Platte auf dem Tisch abstellte und blitzartig herumfuhr. Man hätte meinen können, er würde im nächsten Augenblick auf den Jungen losgehen. Douc Langur packte ihn jedoch mit einer seiner Greifklauen am Arm und sagte:
»Bjo! Es sind Kinder.«
Breiskoll bewegte den Kopf, als wolle er etwas abschütteln, was ihn umklammerte.
»Nein«, sagte er dann leise und versuchte abermals zu lächeln. »Ich bin euch nicht böse. Ihr könnt mich ja ein anderes Mal besuchen.«
»Alles klar, Bjo«, lachte Sternfeuer. »Das machen wir.« Federspiel versetzte ihm einen freundschaftlichen Rippenstoß und wandte sich ab. Hand in Hand verließen er und seine Schwester den Raum.
Joscan Hellmut erkannte den schuldbewussten Ausdruck im Gesicht des Freundes, als er sich wieder zu ihm gesellte. Douc Langur trottete hinter ihm her.
»Mitunter benimmst du dich unmöglich«, warf ihm der Kybernetiker vor. »Himmel, Bjo! Jeder an Bord nennt dich Katzer – und wenn du diesen Namen aus dem Mund eines Jugendlichen hörst, spielst du plötzlich verrückt.«
Bjo senkte den Kopf.
»Es tut mir leid. Ich habe für einen Moment die Kontrolle über mich verloren.«
Joscan nickte wissend. Der Sohn von Lareena Breiskoll und Komty Wamman war ein hauptsächlich telepathisch veranlagter Mutant. Viele bezeichneten ihn darüber hinaus als Kosmo-Spürer , weil er in der Lage war, die Schwankungen kosmischer Kraftfelder wahrzunehmen. Außer diesen geistigen Fähigkeiten hatte ihm das Schicksal jedoch auch äußere Merkmale beschert, die ihn erheblich von anderen Menschen unterschieden. An zahlreichen Stellen seines Körpers wuchsen Pelzfragmente auf seiner Haut, in seinem Gesicht dominierten schräg stehende Augen mit geschlitzten Pupillen, und seine Körpergewandtheit war so sensationell, dass sie regelmäßig mit dem Attribut katzenhaft beschrieben wurde. Letztlich hatte er auch gewisse animalische Instinkte nie ganz ablegen können.
»Du hast dich in den letzten Wochen verändert«, bemerkte Douc Langur. »Früher warst du stolz auf deinen Körper und hast dich seiner Fähigkeiten in aller Offenheit bedient. Heute ist das anders. Manchmal kommt es mir so vor, als würdest du dich deiner schämen, als würdest du verzweifelt versuchen, ein anderer zu sein als der, der du nun einmal bist. Und das alles, damit keiner mehr merkt, wie sehr du dich von den übrigen Solgeborenen unterscheidest. Leider ist mir die Gefühlswelt von euch Menschen immer noch zu fremd, um zu begreifen, welche Gründe du dafür haben könntest.«
»Ich kenne die Gründe, Douc«, behauptete Joscan, bevor der Katzer Gelegenheit fand, auf die Vorhaltungen zu reagieren. »Aber ich glaube nicht, dass du sie verstehen würdest.«
Es war Bjo anzusehen, wie es in ihm arbeitete. »Ich finde es nicht nur unangebracht, sondern taktlos, wie ihr über mich redet«, zischte er. »Das steht euch nicht zu!«
Er drehte sich um und wollte sich den übrigen Gästen zuwenden, die weiterhin beisammenstanden und sich über mehr oder minder belanglose Themen unterhielten. Im selben Moment fuhr das Eingangsschott abermals zur Seite. Eine junge Frau trat ein.
Der Katzer blieb stehen. Sein Blick hing an dem Mädchen, als betrachte er einen wertvollen Kunstgegenstand. Einmal mehr erlag er der Faszination, die diese Frau auf ihn ausübte.
Sie mochte in seinem Alter sein, 24 oder 25 Jahre vielleicht, und es gab gewiss nicht wenige Männer an Bord, die sich mit ausdauernder Hartnäckigkeit um ihre Gunst bewarben. Wenngleich keine Schönheit im landläufigen Sinn, war sie auf eine schwer beschreibbare
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