Atlan TH 0007 – Flucht der Solaner
Tür öffnete, glitt Atlan geräuschlos aus der Liegewanne, in die er sich wieder zurückgezogen hatte, und duckte sich in eine Ecke des karg möblierten Raums. Vorsichtshalber zog er den Thermostrahler, auch wenn er wusste, dass er ihn nur im äußersten Notfall einsetzen würde. Seine kleine Exkursion sollte nicht mit Mord und Totschlag enden.
Gern hätte er den Orter noch intensiver über die Verhältnisse in Viorvarden ausgefragt, aber dafür war keine Zeit mehr gewesen.
Von draußen drang gedämpftes Gemurmel an die Ohren des Unsterblichen. Es handelte sich um mehrere Personen, deren Stimmen so leise waren, dass der Translator nicht darauf reagierte. Nur Tuganekk redete laut und deutlich. Er spielte seine Rolle nicht schlecht und sprach von einem zweibeinigen Wesen, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Dieses Wesen sei ihm gefolgt und habe sich als immun gegen seine Todesstrahlen erwiesen. Dann wäre es plötzlich aufgesprungen und hätte sich aus dem Staub gemacht. Er hätte keine Gelegenheit mehr gefunden, die Ankömmlinge rechtzeitig über diese Entwicklungen zu informieren.
Der Sprecher der Neuankömmlinge wurde wütend. Nun konnte Atlan auch verstehen, was er sagte.
»Willst du uns an der Nase herumführen, du verfluchter Kashlak ?«, hörte der Arkonide. Den letzten Begriff hatte der Translator nicht übersetzt. Vermutlich war es ein Schimpfwort, das im Interkosmo keine Entsprechung besaß.
»Aber nein, aber nein ...«, jammerte Tuganekk. »War ich nicht immer treu und ergeben? Habe ich Ushannyn nicht stets gedient und ...«
»Wohin ist der Zweibeiner gegangen?«, unterbrach ihn sein Gegenüber.
»Er verließ mein Zimmer und lief davon. Ich konnte ihm nicht einmal mit meinem Schirm nachspüren. Ich sage euch, das ist ein ganz gefährlicher Bursche. Kein Wunder, dass der Herr in den Kuppeln einen solchen Aufwand betreibt, um seiner habhaft zu werden.«
»Nun gut, ziehen wir los und durchsuchen das Viertel. Vielleicht treibt er sich noch irgendwo in der Nähe herum. Ein Zweibeiner, sagst du?«
»Ja, mit silbernem Haar und roten Augen und zwei Armen. Er trägt eine grüne Kombination.«
Die Gruppe machte sich lärmend davon, und Tuganekk kehrte in den Raum zurück. »Und jetzt?«, erkundigte er sich bang.
»Gar nicht mal so schlecht«, lobte Atlan spöttisch. »Wenn es um den eigenen Kopf und Kragen geht, ist das ziemlich motivierend, nicht wahr?«
»Du bist ungerecht zu mir, Fremder. Ich tue doch alles, um dein Vertrauen zu ...«
»Sprich lieber nicht weiter«, unterbrach der Unsterbliche. »Mir kommen sonst noch die Tränen.«
»Was ... was hast du nun mit mir vor?«
»Wir warten noch ein wenig ab. Erzähl mir mehr über die Machtverhältnisse auf Gambaneg und vor allem in Viorvarden.«
»Was willst du wissen?«
»Nach Möglichkeit alles. Zum Beispiel: Zu wem gehören die Burschen, die gerade hier waren?«
»Zu Ushannyn«, antwortete der Orter bereitwillig. »Viorvarden ist in zahlreiche Stadtviertel unterteilt. Du kannst auch Reviere dazu sagen. Es gibt welche, in denen die Angehörigen eines bestimmten Volkes leben, aber auch solche, in denen ein kunterbuntes Gemisch zu finden ist. Über jedes Revier führt ein Herrscher die Aufsicht – so, wie ich es über meines tue. Mein Revier ist allerdings verhältnismäßig klein und auch nicht besonders wohlhabend.
Soll ich dir die zahlreichen Verflechtungen zwischen den beteiligten Parteien genauer darlegen? Das würde sehr lange dauern, denn die Verbindungen sind äußerst kompliziert, vor allem, wenn ich die Slums einbeziehe. Zwischen den Slums und allen anderen Revieren herrscht eine besondere Beziehung. In den Elendsvierteln leben Wesen, die nicht nur schwach, sondern vor allem zu nichts nütze sind. Slumbewohner sind praktisch vogelfrei. Deshalb rotten sie sich zusammen und bilden geschlossene Gemeinschaften. Sie schützen ihre erbärmliche Existenz durch schiere Masse. Ich spreche da aus Erfahrung, denn auch ich habe einen Teil meines Lebens auf diesem Planeten in den Slums verbracht.«
»Was deinen freundlichen und toleranten Charakter fraglos zu voller Blüte hat reifen lassen«, stieß Atlan hervor. »Ich bin lediglich an einer groben Übersicht interessiert. Was ich bislang von dir gehört habe, ist stark subjektiv gefärbt.«
»Jeder Herrscher ist bestrebt, sein Revier auszudehnen und zu vergrößern«, fuhr Tuganekk fort. »Dazu braucht man vor allem Untertanen. Jeder Neuling, der von außerhalb in der Stadt erscheint, was
Weitere Kostenlose Bücher