Atlantis
Knöchel klatschte.
» Du biss-AUS!«, rief der Schiedsrichter, der von der Home Plate hergelaufen war, um auf der Höhe des Spielgeschehens zu sein. An den Seitenlinien brachen die Freunde und Verwandten der Lions in frenetischen Jubel aus.
Bobby stand auf und funkelte den Schiedsrichter an, einen ungefähr zwanzigjährigen Sterling-House-Gruppenleiter mit einer Pfeife und einem weißen Zinkoxidklecks auf der Nase. »Ich war safe!«
»Tut mir leid, Bob«, sagte der Junge, gab seine Schiedsrichterrolle auf und wurde wieder zum Gruppenleiter. »Es war ein guter Schlag und ein toller Slide, aber du warst aus.«
»War ich nicht! Betrüger! Warum willst du uns reinlegen?«
»Schmeiß ihn raus!«, rief irgendein Vater. »Auf so’nen Quark können wir verzichten!«
»Setz dich hin, Bobby«, sagte der Gruppenleiter.
»Ich war safe! «, rief Bobby. »Mit Abstand!« Er zeigte auf den Mann, der verlangt hatte, dass er vom Platz gestellt wurde. »Hat der dich bezahlt, damit du dafür sorgst, dass wir verlieren? Der Fettsack da?«
»Hör auf, Bobby«, sagte der Gruppenleiter. Wie dämlich er aussah, mit seiner Pfeife und seiner kleinen Kappe von irgendeiner schwachsinnigen College-Verbindung! »Ich warne dich.«
Ronnie Olmquist wandte sich ab, als würde ihn der Streit anwidern. Bobby hasste ihn ebenfalls.
»Du bist doch bloß ein Betrüger«, sagte Bobby. Es gelang ihm, die in seinen Augenwinkeln kribbelnden Tränen zurückzuhalten, aber seine Stimme zitterte trotzdem.
»Noch ein Wort, und du bist draußen«, erwiderte der Gruppenleiter. »Setz dich hin und beruhige dich. Du …«
»’n betrügerischer Schwanzlutscher . Das bist du.«
Eine Frau in der Nähe der dritten Base schnappte nach Luft und wandte sich ab.
»Jetzt reicht’s«, sagte der Gruppenleiter mit klangloser Stimme. »Runter vom Platz. Auf der Stelle.«
Bobby schlurfte mit seinen Turnschuhen die Baseline zwischen der dritten Base und der Home Plate entlang und drehte sich in der Mitte noch einmal um. »Übrigens hat dir’n Vogel auf die Nase gekackt. Aber du bist wohl zu blöd, um das zu merken. Wisch’s dir lieber ab.«
In seinem Kopf war das komisch, aber als es herauskam, klang es nur dumm, und niemand lachte. Sully stand breitbeinig auf der Home Plate, groß wie ein Haus und ernst wie ein Herzanfall in seiner bunt zusammengewürfelten Fängerausrüstung. Seine überall mit schwarzem Klebeband geflickte Maske baumelte an einer Hand. Er sah erregt und zornig aus. Und er sah aus wie ein Junge, der nie wieder zu den Wolves gehören würde. S-J war in Camp Winnie gewesen, hatte Laken so gefaltet, dass man nicht hineinschlüpfen konnte, war bis spät in die Nacht aufgeblieben und hatte am Lagerfeuer Gespenstergeschichten erzählt. Er würde für immer ein Lion sein, und Bobby hasste ihn.
»Was ist los mit dir?«, fragte Sully, als Bobby an ihm vorbeistapfte. Beide Bänke waren verstummt. Alle Kinder sahen ihn an. Die Eltern sahen ihn ebenfalls alle an. Sie sahen ihn an, als wäre er etwas Widerliches. Wahrscheinlich
war er das auch, dachte Bobby. Bloß aus anderen Gründen, als sie dachten.
Weißt du was, S-J, du warst vielleicht in Camp Winnie, aber ich war da unten. Ganz tief da unten.
»Bobby?«
»Gar nichts ist los mit mir«, sagte er, ohne aufzublicken. »Was soll’s. Ich zieh nach Massachusetts. Vielleicht gibt’s da weniger miese kleine Betrüger.«
»Hör zu, Mann …«
»Ach, halt die Klappe«, sagte Bobby, ohne ihn anzusehen. Stattdessen schaute er auf seine Turnschuhe. Schaute nur auf seine Turnschuhe und ging weiter.
Liz Garfield freundete sich nicht so schnell mit anderen Menschen an (»Ich bin ein schlichter brauner Nachtfalter, kein gesellschaftlicher Schmetterling«, erklärte sie Bobby manchmal), aber während ihrer ersten paar Jahre bei Home Town Real Estate hatte sie sich mit einer Frau namens Myra Calhoun gut verstanden. (Auf Lizesisch tuteten sie ins selbe Horn, zogen am gleichen Strang, waren auf einer Wellenlänge etc. pp.) In jener Zeit war Myra Don Bidermans Sekretärin gewesen und Liz das komplette Büroteam; sie hatte sich um die Makler gekümmert, hatte deren Termine gemacht, ihnen Kaffee gekocht und ihre Korrespondenz getippt. 1955 hatte Myra die Agentur ohne große Erklärungen Knall auf Fall verlassen. Anfang 1956 hatte Liz dann ihren Job als Mr. Bidermans Sekretärin übernommen.
Liz und Myra waren in Kontakt geblieben; sie schrieben sich Urlaubspostkarten und hin und wieder mal einen Brief. Myra -
Weitere Kostenlose Bücher