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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Namen, und dann hörte er ihre eiligen Schritte. Er war auf der Veranda, als die Tür aufflog und sie herausgelaufen kam, immer noch in den Kleidern, die sie bei ihrer Rückkehr aus Providence angehabt hatte. Die Haare hingen ihr in wilden Locken und verklebten Strähnen ums Gesicht.
    »Bobby!«, rief sie. »Bobby, o Bobby! Gott sei Dank! Gott sei Dank!«
    Sie hob ihn hoch und drehte ihn wie bei einem Tanz herum und herum, und ihre Tränen benetzten seine Wange.
    »Ich wollte ihr Geld nicht haben«, brabbelte sie. »Sie haben zurückgerufen und nach der Adresse gefragt, damit sie mir einen Scheck schicken könnten, und ich hab gesagt, schon gut, es war ein Fehler, ich war verletzt und völlig außer mir, ich hab Nein gesagt, Bobby, ich hab Nein gesagt, ich hab gesagt, ich will ihr Geld nicht.«
    Bobby sah, dass sie log. Jemand hatte einen Umschlag mit ihrem Namen drauf unter der Tür zur Eingangshalle durchgeschoben. Kein Scheck, sondern dreihundert Dollar in bar. Dreihundert Dollar für die Rückkehr ihres besten Brechers; dreihundert lausige Steine. Sie waren noch größere Geizkragen als seine Mutter.
    »Ich hab gesagt, ich will es nicht, hörst du?«
    Sie trug ihn jetzt in die Wohnung. Er wog fast fünfundvierzig Kilo und war zu schwer für sie, aber sie trug ihn trotzdem. Während sie weiterplapperte, sah Bobby, dass es ihnen wenigstens erspart bleiben würde, sich mit der Polizei herumzuärgern; sie hatte sie nicht gerufen. Die meiste Zeit hatte sie einfach dagesessen, an ihrem zerknitterten Rock
gezupft und unzusammenhängende Gebete gen Himmel geschickt, dass er heimkommen würde. Sie liebte ihn. Es flatterte in ihrem Geist wie die Schwingen eines Vogels, der in einer Scheune gefangen war. Sie liebte ihn. Es half nicht viel. aber ein bisschen doch. Selbst wenn es eine Falle war, half es ein bisschen.
    »Ich hab gesagt, ich will es nicht, wir brauchen es nicht, sie können ihr Geld behalten. Ich hab gesagt … ich hab ihnen erklärt …«
    »Schon gut, Mama«, sagte er. »Schon gut. Setz mich ab.«
    »Wo bist du gewesen? Ist alles in Ordnung mit dir? Hast du Hunger?«
    Er beantwortete ihre Fragen in der umgekehrten Reihenfolge. »Ich hab Hunger, ja, aber es geht mir gut. Ich war in Bridgeport. Ich hab das hier gekriegt.«
    Er steckte die Hand in die Hosentasche und förderte die Reste des Fahrradgeldes zutage. Seine Eindollarscheine und das Kleingeld waren mit einem unordentlichen grünen Bündel aus Zehnern, Zwanzigern und Fünfzigern vermischt. Seine Mutter starrte das Geld an, das auf das Beistelltischchen am Sofa herabregnete, und ihr heiles Auge wurde immer größer, bis Bobby befürchtete, es könnte ihr geradewegs aus dem Gesicht fallen. Das andere Auge in der Gewitterwolke aus blauschwarzem Fleisch blieb geschlossen. Sie sah wie ein zerschlagener alter Pirat aus, der verzückt einen soeben gehobenen Schatz betrachtete, ein Anblick, auf den Bobby gern verzichtet hätte und den er in den fünfzehn Jahren zwischen dieser Nacht und jener, in der sie starb, nie wieder ganz loswurde. Aber es gab auch eine neue und nicht besonders angenehme Seite an ihm, der dieser Gesichtsausdruck gefiel - die Art, wie er sie alt und
hässlich machte, sie in eine komische Figur verwandelte, die dumm und habgierig zugleich war. Das ist meine Ma, dachte er im Ton des Showmasters Jimmy Durante. Das ist meine Ma. Wir haben ihn beide verraten, aber ich bin besser dafür bezahlt worden als du, Ma, stimmt’s? Yeah! Hotcha!
    »Bobby«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. Sie sah aus wie ein Pirat und klang wie eine siegreiche Kandidatin in der Show von Bill Cullen, Der Preis ist heiß. »O Bobby, so viel Geld! Wo kommt das her?«
    »Teds Wette«, sagte Bobby. »Das ist der Gewinn.«
    »Aber Ted … wird er nicht …«
    »Er braucht es nicht mehr.«
    Liz zuckte zusammen, als hätte sie plötzlich stechende Schmerzen in einem ihrer Blutergüsse. Dann begann sie, das Geld zusammenzuraffen, wobei sie die Scheine bereits sortierte. »Ich kaufe dir dieses Fahrrad«, sagte sie. Ihre Finger bewegten sich mit der Geschwindigkeit eines erfahrenen Drei-Karten-Monte-Spielers. Niemand schlägt diese Technik, dachte Bobby. Die hat noch nie jemand geschlagen. »Gleich morgen früh, wenn Western Auto aufmacht. Dann gehen wir …«
    »Ich will kein Fahrrad«, sagte er. »Nicht davon. Und nicht von dir.«
    Sie erstarrte, die Hände voller Geld, und er fühlte, wie ihr Zorn jählings aufblühte, etwas Rotes und Elektrisches. »Kein Dankeschön,

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