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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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was? Dumm von mir, dass ich überhaupt eins erwartet habe. Zum Teufel, du bist deinem Vater wirklich zum Verwechseln ähnlich!« Ihre Hand peitschte wieder nach hinten, mit offenen Fingern. Dieses Mal wusste er jedoch, dass es kam. Sie hatte ihn zum letzten Mal überrascht.

    »Woher willst du das wissen?«, fragte Bobby. »Du hast doch so viele Lügen über ihn erzählt, dass du dich gar nicht mehr an die Wahrheit erinnerst.«
    Und das stimmte. Er hatte in sie hineingeschaut, und dort war so gut wie kein Randall Garfield, nur eine Schachtel mit seinem Namen darauf … seinem Namen und einem verblassten Bild, das beinahe jeder hätte sein können. In dieser Schachtel bewahrte sie Dinge auf, die ihr wehtaten. Sie wusste nicht mehr, dass er diesen Song von Jo Stafford gemocht hatte; wusste nicht mehr (falls sie es überhaupt je gewusst hatte), dass Randy Garfield ein richtig netter Kerl gewesen war, der einem sein letztes Hemd gegeben hätte. Für solche Dinge war in ihrer Schachtel kein Platz. Bobby dachte, dass es schrecklich sein musste, wenn man so eine Schachtel brauchte.
    »Er hat nie einem Betrunkenen was zu trinken spendiert«, sagte er. »Hast du das gewusst?«
    »Wovon redest du?«
    »Du wirst es nicht schaffen, dass ich ihn hasse … und du wirst es auch nicht schaffen, dass ich zu ihm werde.« Er ballte die rechte Hand zur Faust und hob sie in Kopfhöhe. »Ich bin nicht sein Schatten, und ich werd’s auch nicht sein. Von mir aus lüg dir in die Tasche, so viel du willst - über die Rechnungen, die er nicht bezahlt hat, über die Versicherungspolice, die er verfallen ließ, und über die ganzen Inside Straights, aus denen er was zu machen versuchte -, aber erzähl deine Lügen nicht mir. Nie mehr.«
    »Erhebe nicht die Hand gegen mich, Bobby-O. Wehe, du erhebst jemals die Hand gegen mich.«
    Er reagierte darauf, indem er auch die andere zur Faust geballte Hand erhob. »Nur zu. Du willst mich schlagen?
Dann schlage ich zurück. Du kannst noch ein paar reinkriegen. Nur dass du’s diesmal verdient hast. Na los.«
    Sie zögerte. Er spürte, dass sich ihr Zorn so schnell verflüchtigte, wie er gekommen war, und einer schrecklichen Schwärze Platz machte. Und er sah die Furcht in dieser Schwärze. Die Furcht vor ihrem Sohn, die Furcht davor, dass er sie verletzen könnte. Nicht in dieser Nacht, nein - nicht mit diesen schmutzigen Kleine-Jungen-Fäusten. Aber kleine Jungen wurden größer.
    Und war er so viel besser als sie, dass er überheblich auf sie herabblicken konnte? War er auch nur ein bisschen besser? Im Innern hörte er die unbeschreibliche summende Stimme fragen, ob er wieder nach Hause wolle, selbst wenn das heiße, dass Ted ohne ihn weiterleben müsse. Ja, hatte Bobby gesagt. Selbst wenn es bedeute, dass er zu seinem Miststück von einer Mutter zurückmüsse? Ja, hatte Bobby gesagt. Jetzt verstehst du sie ein bisschen besser, nicht wahr? hatte Cam gefragt, und auch das hatte Bobby bejaht.
    Und als sie seine Schritte auf der Veranda gehört hatte, war sie zunächst nur von Liebe und Erleichterung erfüllt gewesen - Gefühlen, die echt waren.
    Bobby öffnete die Fäuste. Er langte nach oben und nahm ihre Hand, die immer noch zum Schlag ausholte, wenn auch ohne große Überzeugung. Die Hand sträubte sich anfangs, aber schließlich gelang es Bobby, die Spannung darin zu lösen. Er küsste sie. Er blickte in das zerschlagene Gesicht seiner Mutter hinauf und küsste ihre Hand noch einmal. Er kannte sie so gut, aber es wäre ihm lieber gewesen, er würde sie nicht so gut kennen. Er wartete sehnsüchtig darauf, dass das Fenster in seinem Geist sich wieder schloss, sehnte sich nach jener Undurchsichtigkeit, die Liebe nicht
nur möglich, sondern auch nötig machte. Je weniger man wusste, desto mehr konnte man glauben.
    »Es ist bloß ein Fahrrad, das ich nicht haben will«, sagte er. »Okay? Bloß ein Fahrrad.«
    »Was willst du dann? «, fragte sie. Ihre Stimme war unsicher und trübe. »Was willst du von mir, Bobby?«
    »Pfannkuchen«, sagte er. »In rauen Mengen.« Er versuchte zu lächeln. »Ich hab sooo einen Hunger.«
    Sie machte genug Pfannkuchen für sie beide, und dann saßen sie einander um Mitternacht am Küchentisch gegenüber und frühstückten. Er bestand darauf, ihr beim Abwasch zu helfen, obwohl es mittlerweile fast eins war. Warum nicht, fragte er sie. Er hatte am nächsten Tag keine Schule, er konnte so lange schlafen, wie er wollte.
    Als sie das Wasser aus dem Spülbecken ließ und Bobby

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