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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schweiß lief ihm aus den wirren Haaren über die Wangen. »Ratz- fatz , ratz- fatz , ratz- fatz «, murmelte er vor sich hin, als wollte er den Rhythmus halten … oder zum Ausdruck bringen, wie schnell er am liebsten unsere ganze einherschlendernde Truppe fertigmachen würde … oder vielleicht beides. Man konnte ihn riechen: den sauren, beißenden Schweißgeruch, der immer um ihn war, weil er nicht langsam gehen wollte, es schien ihm zuwider zu sein, langsam zu gehen, aber da war auch noch etwas anderes. Der Schweiß roch stechend, aber nicht abstoßend. Der darunterliegende Geruch war erheblich unangenehmer. Ich war auf der Highschool Mittelstreckenläufer gewesen (als College-Anfänger musste ich zwischen Pall Malls und den vierhundertvierzig Yards wählen, und ich entschied mich für die Sargnägel) und hatte diese spezielle Mischung schon früher gerochen, meistens dann, wenn ein Schüler mit einer Erkältung, einer Grippe oder einer Halsentzündung sich trotzdem zum Laufen zwang. Das Einzige, was so ähnlich riecht, ist der Trafo einer elektrischen Eisenbahn, der zu lange zu stark beansprucht worden ist.
    Dann war er an uns vorbei. Stoke Jones, der von Ronnie Malenfant bald Ratz-Fatz getauft werden würde und an diesem Abend, von seinen gewaltigen Beinstützen befreit, auf dem Rückweg zum Wohnheim war.
    »He, was ist das?«, fragte Nate. Er war stehen geblieben und schaute sich um. Skip und ich blieben ebenfalls stehen und schauten zurück. Ich wollte Nate gerade fragen, was er meinte, da sah ich es. Jones trug eine Jeansjacke. Auf deren Rücken war mit schwarzem Marker oder etwas Ähnlichem ein Gebilde in einem Kreis gemalt, das im schwindenden Licht jenes frühherbstlichen Abends kaum sichtbar war.
    »Keine Ahnung«, sagte Skip. »Sieht aus wie’ne Spatzenspur.«
    Der Junge auf den Krücken verschwand in der Menge, die zu einem weiteren Essen im Commons an einem weiteren Donnerstagabend an einem weiteren Oktobertag unterwegs war. Die meisten Jungen waren sauber rasiert; die meisten Mädchen trugen Röcke und Ship’n’ Shore-Blusen mit breiten Peter-Pan-Kragen. Der aufgehende Mond war beinahe voll und tauchte sie in ein orangefarbenes Licht. Das wahre Zeitalter der Freaks lag noch zwei Jahre in der Zukunft, und keinem von uns dreien war klar, dass wir zum ersten Mal das Friedenszeichen gesehen hatten.

5
    Das Frühstück am Samstagmorgen war eine der Mahlzeiten, bei denen ich im Holyoke Spüldienst hatte. Es war eine gute Mahlzeit zum Arbeiten, weil im Commons am Samstagmorgen nie viel los war. Carol Gerber, das Besteckmädchen, stand am Kopfende des Förderbandes. Ich war der Nächste in der Reihe; meine Aufgabe bestand darin, mir die Teller zu schnappen, wenn die Tabletts auf dem Band ankamen, sie abzuspülen und auf dem Wagen neben mir zu stapeln. Wenn auf dem Förderband viel los war, wie bei den meisten Abendessen unter der Woche, stapelte ich die Teller mitsamt dem ganzen Schmutz und allem aufeinander und spülte sie später ab, wenn der Andrang nachgelassen hatte. Als Nächstes kam dann der Glasspüler, der sich die Gläser und Tassen schnappte und sie in spezielle Spülgitter stellte. Das Holyoke war ein recht guter Arbeitsplatz. Ab und zu
ließ ein Scherzkeks vom Schlage Ronnie Malenfants eine nicht gegessene Wurst mit einem übergestülpten Präser zurückgehen, oder auf der nicht angerührten Hafergrütze stand in sorgfältig ausgerissenen Serviettenstreifen IHR KÖNNT MICH MAL (einmal entdeckte ich auf der gerinnenden Hackbratensoße in einer Suppenschüssel die Botschaft HILFE, ICH WERDE AN EINEM COLLEGE FÜR RINDVIECHER GEFANGEN GEHALTEN), und es ist unglaublich, was manche Studenten für Schweine sein können - Teller voller Ketchup, Milchgläser voller Kartoffelbrei, überall verstreutes Gemüse -, aber es war eigentlich kein schlechter Job, besonders am Samstagmorgen.
    Als ich einmal in Carols Richtung schaute (die für diese frühe Morgenstunde außerordentlich hübsch aussah), erblickte ich hinter ihr Stoke Jones. Er saß mit dem Rücken zur Durchreiche, aber die Krücken, die neben seinem Stuhl lehnten, waren ebenso unübersehbar wie dieses eigenartige, hinten auf seine Jacke gemalte Gebilde. Skip hatte recht gehabt; es sah wirklich wie der Fußabdruck eines Spatzen aus (fast ein Jahr später hörte ich zum ersten Mal, wie jemand es im Fernsehen als »Fußabdruck der großen amerikanischen Memme« bezeichnete).
    »Weißt du, was das ist?«, fragte ich Carol und zeigte darauf.
    Sie

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