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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zu dir komme, wenn ich mal’ne verfickte Krankheit habe.«
    »Ich werde Zahnarzt, nicht Allgemeinmediziner«, erwiderte Nate und betonte jedes Wort. An seinem Hals begannen sich Muskelstränge abzuzeichnen. Soweit ich wusste, war Skip Kirk der Einzige in Chamberlain Hall, vielleicht sogar auf dem ganzen Campus, der durch das dicke Yankee-Fell meines Zimmergenossen durchkam. »Ich bin nur im Einführungskurs Medizin, weil das …«
    »Erinnere mich dran, dass ich mir von dir nie’ne verfickte Füllung machen lasse.«
    »Warum musst du das ständig sagen?«
    »Was?«, fragte Skip, obwohl er es ganz genau wusste; aber er wollte, dass Nate es aussprach. Irgendwann würde
Nate das auch tun, und jedes Mal, wenn er es endlich tat, wurde er dabei knallrot. Das faszinierte Skip. Alles an Nate faszinierte Skip; der Captain erzählte mir mal, er sei sich ziemlich sicher, dass Nate ein Außerirdischer sei, den man von dem Planeten Braver Junge runtergebeamt habe.
    »Verfickt«, sagte Nate Hoppenstand, und seine Wangen nahmen sofort einen rosigen Schimmer an. Gleich darauf sah er wie eine der Figuren aus, die Dickens unter dem Pseudonym »Boz« in seinen Londoner Skizzen porträtiert hatte: ein ernster junger Mann. »Das.«
    »Ich hatte schlechte Vorbilder«, sagte Skip. »Ich wage kaum, an deine Zukunft zu denken, Nate. Was ist, wenn Paul Anka ein verficktes Comeback gelingt?«
    »Du hast diese Platte doch nie gehört«, sagte Nate, schnappte sich Diane Renay Sings Navy Blue vom Bett und steckte sie wieder zwischen Mitch Miller und Stella Stevens Is in Love! .
    »Und ich will das verfickte Ding auch gar nicht hören«, sagte Skip. »Komm, Pete, gehen wir essen. Ich hab’nen Scheißhunger.«
    Ich hob mein Geologielehrbuch auf; am nächsten Dienstag stand eine Prüfung an. Skip nahm es mir aus der Hand, warf es wieder auf den Schreibtisch und stieß dabei das Bild meiner Freundin um, die nicht mit mir ficken wollte, mir aber auf langsame, qualvoll angenehme Weise mit der Hand einen runterholte, wenn sie in der Stimmung dazu war. Niemand kann das so gut wie ein katholisches Mädchen. Im Laufe meines Lebens habe ich meine Meinung in vielerlei Hinsicht geändert, aber in dem Punkt nicht.
    »Warum hast du das getan?«, fragte ich.

    »Man liest nicht bei Tisch«, sagte er. »Nicht mal, wenn man die Pampe im Commons frisst. In was für’ner Scheune bist du denn aufgewachsen?«
    »Ehrlich gesagt bin ich in einer Familie aufgewachsen, in der man sehr wohl bei Tisch liest, Skip. Ich weiß, es fällt dir schwer zu glauben, dass man irgendwas anders machen könnte als die Kirks, aber es ist so.«
    Er schaute unerwartet ernst drein. Dann packte er mich an den Unterarmen, blickte mir in die Augen und sagte: »Lern wenigstens nicht, während du isst. Okay?«
    »Okay.« Wobei ich mir innerlich das verfickte Recht vorbehielt, zu lernen, wann immer ich Lust dazu hatte oder es für nötig hielt.
    »Wenn du’s zu toll treibst, kriegst du nur Magengeschwüre. Daran ist mein Alter gestorben. Er hat’s immer zu toll getrieben - in jeder Beziehung.«
    »Oh«, sagte ich. »Tut mir leid.«
    »Macht nichts, ist schon lange her. Komm jetzt. Bevor der Scheiß-Thunfisch mit Beilage alle ist. Kommst du auch mit, Natebo?«
    »Ich muss erst noch das Blatt fertig machen.«
    »Scheiß auf das Blatt.«
    Jeden anderen hätte Nate auf so einen Spruch hin angesehen wie etwas, was er unter einem verfaulten Baumstamm entdeckt hatte, und sich schweigend wieder seiner Arbeit zugewandt. In diesem Fall überlegte er einen Moment, stand dann auf und nahm seine Jacke behutsam von der Tür, wo er sie immer aufhängte. Er zog sie an und rückte sich die Kappe zurecht. Nicht einmal Skip wagte es, sich weiter über Nates störrische Weigerung auszulassen, auf seine Freshman-Kappe zu verzichten. (Als ich Skip fragte, wohin seins
verschwunden war - es war unser dritter Tag an der UM, und wir hatten uns gerade erst am Vortag kennengelernt -, sagte er: »Hab mir mit dem Scheißding den Arsch abgewischt und es auf’nen Baum geworfen.« Die Wahrheit war das wohl kaum, aber ganz ausschließen mochte ich es auch nicht.)
    Wir polterten die zwei Treppen hinunter und gingen in den hereinbrechenden milden Oktoberabend hinaus. Studenten aus allen drei Wohnheimen waren zum Holyoke Commons unterwegs, wo ich bei neun Mahlzeiten pro Woche Küchendienst hatte. Ich war gerade erst vom Besteckspüler zum Geschirrspüler befördert worden, und wenn ich immer schön sauber blieb, würde ich

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