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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bügelfalten, Nate, der in der Nähe der johlenden, die Fäuste schüttelnden Bauarbeiter stand, aber vollständig von ihnen ignoriert wurde. Und von den Cops ebenfalls. Keine der beiden Gruppen wusste, dass mein Zimmergenosse neuerdings ein Fan des subversiven Mr. Phil Ochs war.
    Ich schlüpfte zur Telefonzelle hinaus und rief im ersten Stock von Franklin Hall an. Jemand aus dem Aufenthaltsraum ging an den Apparat, und als ich nach Carol fragte, sagte das Mädchen, Carol sei nicht da, sie sei mit Libby Sexton in die Bibliothek gegangen, um zu lernen. »Bist du Pete?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Ich hab hier eine Nachricht für dich. Sie hat sie an die Scheibe gepappt.« Das war damals in den Wohnheimen allgemein üblich. »Hier steht, sie ruft dich später an.«
    »Okay. Danke.«
    Skip war draußen vor der Telefonzelle und winkte mir ungeduldig zu, dass ich herauskommen sollte. Wir gingen
den Flur entlang, um Nate zu besuchen, obwohl wir wussten, dass wir beide unseren Platz an den Tischen verlieren würden, an denen wir gespielt hatten. In diesem Fall siegte die Neugier über die Besessenheit.
    Nates Miene änderte sich nicht sehr, als wir ihm die Zeitung zeigten und ihn nach der Demonstration vom Vortag fragten, aber seine Miene änderte sich nie sehr. Trotzdem spürte ich, dass er unglücklich war, sich vielleicht sogar elend fühlte. Ich verstand nicht, warum - schließlich war doch alles gut ausgegangen; niemand war ins Gefängnis gewandert oder auch nur in der Zeitung namentlich erwähnt worden.
    Ich war schon fast zu dem Schluss gekommen, dass ich zu viel in sein übliches Schweigen hineinlas, als Skip fragte: »Was hast du denn?«
    In seiner Stimme lag eine Art grober Besorgnis. Nates Unterlippe zitterte und wurde dann wieder fest. Er beugte sich über den ordentlich aufgeräumten Schreibtisch (mein eigener war bereits von ungefähr neunzehn Schichten Müll bedeckt) und zupfte ein Kleenex aus der Schachtel, die neben seinem Plattenspieler stand. Er putzte sich lange und heftig die Nase. Als er fertig war, hatte er sich wieder unter Kontrolle, aber ich sah das wirre Unglück in seinen Augen. Ein Teil von mir - ein gemeiner Teil - freute sich über den Anblick. Freute sich über die Erkenntnis, dass man kein Hearts-Junkie werden musste, um Probleme zu haben. Die menschliche Natur kann manchmal so beschissen sein.
    »Ich bin mit Stoke und Harry Swidrowski und ein paar anderen hingefahren«, sagte Nate.
    »War Carol bei euch?«, fragte ich.

    Nate schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie war bei George Gilmans Leuten. Wir sind mit fünf Wagen gefahren.« Ich kannte keinen George Gilman, aber das hinderte mich nicht daran, einen Pfeil ziemlich krankhafter Eifersucht nach ihm zu werfen. »Harry und Stoke sind im Widerstandskomitee. Gilman ist auch drin. Jedenfalls sind wir …«
    »Widerstandskomitee?«, fragte Skip. »Was ist das?«
    »Ein Club«, sagte Nate und seufzte. »Sie glauben, dass es mehr ist - besonders Harry und George, die sind echte Unruhestifter -, aber in Wirklichkeit ist es einfach nur ein x-beliebiger Club, wie die Maskenspieler von Maine oder die Cheerleader.«
    Nate sagte, er selbst sei mitgekommen, weil es Dienstag gewesen sei und er am Dienstagnachmittag keine Kurse habe. Niemand hatte Befehle erteilt; niemand hatte sie Loyalität schwören lassen oder gar eine Liste herumgegeben, in die sie sich eintragen sollten. Niemand hatte sie gezwungen zu demonstrieren, und von dem paramilitärischen Eifer der Barettträger, der sich später in der Antikriegsbewegung breitmachte, war nichts zu spüren gewesen. Nate zufolge hatten Carol und die jungen Leute, mit denen sie zusammen war, gelacht und einander mit den Schildern geknufft, als sie den Parkplatz der Sporthalle verließen. (Gelacht. Mit George Gilman gelacht. Ich warf noch einen dieser bazillenverseuchten Eifersuchtspfeile.)
    Als sie zum Federal Building kamen, demonstrierten einige, indem sie vor der Tür zum Büro der Einberufungskommission im Kreis marschierten, und andere nicht. Nate hatte zu denen gehört, die nicht demonstrierten. Als er uns das erzählte, verzog sich sein ansonsten glattes Gesicht und nahm für einen kurzen Moment einen Ausdruck an, den
man bei einem weniger in sich ruhenden Jungen vielleicht als echtes Elend gedeutet hätte.
    »Ich wollte mitdemonstrieren«, erklärte er. »Auf der ganzen Fahrt hatte ich fest vorgehabt, mitzudemonstrieren. Es war aufregend - wir waren zu sechst in Harry Swidrowskis Saab gepfercht. Ein

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