Atlantis
echter Trip. Hunter McPhail … kennt ihr ihn?«
Skip und ich schüttelten den Kopf. Ich glaube, wir verspürten beide ein wenig Ehrfurcht, weil wir gerade entdeckt hatten, dass der Besitzer von Meet Trini Lopez und Diane Renay Sings Navy Blue eine Art geheimes Leben hatte, das zudem Kontakte zu der Sorte von Leuten einschloss, für die sich sowohl die Cops als auch die Zeitungen interessierten.
»Er und George Gilman haben das Komitee gegründet. Jedenfalls hat Hunter Stokes Krücken aus dem Fenster des Saab gehalten, weil sie nicht mehr reinpassten, und wir haben ›I Ain’t Marchin’ Anymore‹ gesungen und darüber geredet, dass wir den Krieg vielleicht wirklich stoppen könnten, wenn genug von uns zusammenkämen - das heißt, wir alle haben über solche Sachen geredet, nur Stoke nicht. Der sagt kaum mal was.«
So, dachte ich. Selbst bei ihnen sagt er nichts … außer vermutlich, wenn er beschließt, dass eine kleine Glaubwürdigkeitslektion fällig ist. Aber Nate dachte nicht über Stoke nach; Nate dachte über Nate nach. Er zerbrach sich den Kopf über die unerklärliche Weigerung seiner Füße, sein Herz dorthin zu tragen, wohin es ganz eindeutig gewollt hatte.
»Auf der ganzen Fahrt denke ich, ›ich werde mit ihnen demonstrieren, ich werde mit ihnen demonstrieren, weil es richtig ist … zumindest glaube ich, dass es richtig ist … und
wenn jemand auf mich losgeht, verzichte ich auf jede Gewalt, so wie die Leute bei den Sit-Ins in den Kaufhausimbissen in Nashville und Greensboro. Die haben gewonnen. Ich meine, die Schwarzen dürfen dort jetzt auch sitzen, und vielleicht können wir auch gewinnen.‹« Er sah uns an. »In meinem Kopf hatte ich überhaupt keinen Zweifel daran. Versteht ihr?«
»Ja«, sagte Skip. »Versteh ich.«
»Aber als wir dort angekommen sind, konnte ich’s nicht. Ich hab geholfen, Schilder auszuteilen, auf denen stand STOPPT DEN KRIEG UND USA RAUS AUS VIETNAM - SOFORT! und HOLT DIE JUNGS HEIM … Carol und ich haben Stoke geholfen, sein Schild festzubinden, sodass er damit demonstrieren und trotzdem seine Krücken benutzen konnte … aber ich selbst konnte keins nehmen. Ich hab mit Bill Shadwick, Kerry Morin und einem Mädchen namens Lorlie McGinnis auf dem Bürgersteig gestanden … sie ist meine Partnerin im Botanik-Labor …« Er nahm Skip die Zeitungsseite aus der Hand und betrachtete sie, als wollte er sich erneut vergewissern, dass das alles wirklich passiert war; dass das Herrchen von Rinty und der Freund von Cindy tatsächlich zu einer Antikriegsdemonstration gegangen war. Er seufzte und ließ die Zeitung dann zu Boden segeln. Das war so untypisch für ihn, dass ich Kopfschmerzen bekam.
»Ich dachte, ich würde mitdemonstrieren. Ich meine, weshalb wäre ich sonst mitgefahren? Auf dem ganzen Weg von Orono nach Derry hab ich keinen Moment dran gezweifelt.«
Er sah mich irgendwie flehend an. Ich nickte, als verstünde ich ihn.
»Aber dann hab ich’s nicht getan. Ich weiß nicht, warum.«
Skip setzte sich neben ihn aufs Bett. Ich suchte die Phil-Ochs-Platte und legte sie auf. Nate sah Skip an und wandte den Blick dann ab. Nates Hände waren so klein und ordentlich wie alles andere an ihm, bis auf die Fingernägel. Die Fingernägel waren schrundig und bis zum Nagelbett abgekaut.
»Okay«, sagte er, als hätte Skip ihn laut gefragt. »Ich weiß doch , warum. Ich hatte Angst, dass man sie festnehmen würde, und mich mit ihnen. Dass ein Foto von meiner Festnahme in die Zeitung käme und dass meine Leute es sehen würden.« Es gab eine lange Pause. Der arme alte Nate versuchte, den Rest zu sagen. Ich hielt die Nadel über die erste Rille der rotierenden Platte und wartete ab, ob er es schaffte. Endlich tat er es. »Dass meine Mutter es sehen würde.«
»Ist schon gut, Nate«, sagte Skip.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Nate mit zitternder Stimme. »Wirklich nicht.« Er mied Skips Blick, saß nur mit seiner ausgeprägten Hühnerbrust und seiner nackten weißen Yankeehaut zwischen Pyjamahose und Freshman-Kappe auf dem Bett und schaute auf seine abgeknabberten Nagelhäute. »Ich diskutiere nicht gern über den Krieg. Harry schon … und Lorlie auch … George Gilman, du liebes bisschen, der ist bei dem Thema überhaupt nicht mehr zu bremsen, und die meisten anderen im Komitee sind genauso. Aber wenn es ums Reden geht, bin ich eher wie Stoke als wie sie.«
»Niemand ist wie Stoke«, sagte ich. Ich erinnerte mich an den Tag, als ich ihm auf dem Bennett’s Walk
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