Atlantis
heraus. »Ich kann es nicht leiden, wenn du quengelst«, wiederholte sie.
Das erinnert mich an deinen Vater. Das war es, was sie eigentlich hatte sagen wollen.
»Also, wie sieht’s aus, Mickymaus?«, fragte sie. »Bist du fertig?«
Bobby stand schweigend da, mit brennenden Wangen und brennenden Augen, hielt den Blick auf seine Turnschuhe gesenkt und konzentrierte seine gesamte Willenskraft darauf, nicht loszuheulen. Im Moment würde schon ein einziges ersticktes Schluchzen reichen, und er wäre für den Rest des Tages aus dem Verkehr gezogen; sie war wirklich wütend und suchte nur nach einem Grund, es zu tun. Und loszuheulen war nicht die einzige Gefahr. Er hätte sie am liebsten angeschrien, dass er lieber wie sein Vater wäre als wie sie, eine knauserige alte Pfennigfuchserin wie sie, die nicht mal einen lausigen Nickel rausrücken wollte, und was war schon dabei, wenn der dahingeschiedene Randall Garfield, mit dem sie so unzufrieden war, ihnen kein Vermögen hinterlassen hatte? Warum klang es bei ihr immer so, als ob das seine Schuld wäre? Wer hatte ihn denn geheiratet?
»Ganz sicher, Bobby-O? Keine neunmalklugen Erwiderungen?« Jetzt hatte ihre Stimme den allergefährlichsten Klang - eine Art spröder Munterkeit. Wenn man sie nicht kannte, könnte man meinen, sie hätte gute Laune.
Bobby schaute auf seine Turnschuhe und sagte nichts. Schloss das Heulen und die zornigen Worte in seiner Kehle ein und sagte nichts. Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Er konnte ihre Zigarette riechen, dahinter alle Zigaretten der letzten Nacht und auch jene, die sie in all den anderen Nächten geraucht hatte, in denen sie nicht so sehr ferngesehen als vielmehr durch das Gerät hindurchgeschaut und auf das Klingeln des Telefons gewartet hatte.
»Okay, ich schätze, das hätten wir geklärt«, sagte sie, nachdem sie ihm rund fünfzehn Sekunden Zeit gegeben
hatte, den Mund aufzumachen und sich um Kopf und Kragen zu reden. »Schönen Tag noch, Bobby.« Sie ging hinaus, ohne ihm einen Kuss zu geben.
Bobby ging ans offene Fenster (jetzt liefen ihm Tränen übers Gesicht, aber er bemerkte es kaum), zog den Vorhang beiseite und sah ihr nach, wie sie in Richtung Commonwealth ging. Ihre hohen Absätze klackerten. Er machte ein paar tiefe, wässrige Atemzüge und ging dann in die Küche. Er schaute zu dem Schrank hinüber, in dem der blaue Krug hinter der Soßenschüssel verborgen war. Er hätte sich Geld daraus nehmen können - sie führte nicht genau Buch darüber, wie viel drin war, und drei oder vier Vierteldollarstücke würde sie nicht vermissen -, aber er tat es nicht. Es würde keinen Spaß machen, das Geld auszugeben. Er war sich nicht sicher, woher er das wusste, aber er wusste es; hatte es schon mit neun gewusst, als er den versteckten Kleingeldkrug entdeckt hatte. Daher ging er nicht mit einem Gefühl der Rechtschaffenheit, sondern eher mit leisem Bedauern in sein Zimmer und musterte stattdessen das Fahrradglas.
Ihm kam der Gedanke, dass sie recht hatte - er konnte wirklich ein bisschen was von seinem Ersparten nehmen und es in Savin Rock ausgeben. Er würde vielleicht einen Monat länger brauchen, um den Betrag für das Schwinn zusammenzukratzen, sich aber zumindest gut dabei fühlen, wenn er dieses Geld ausgab. Und da war noch etwas. Wenn er sich weigerte, Geld aus dem Glas zu nehmen, wenn er es nur hortete und ansparte, dann war er genau wie sie .
Das gab den Ausschlag. Bobby fischte fünf Zehncentstücke aus dem Fahrradglas, steckte sie in die Tasche, stopfte noch ein Kleenex hinein, damit sie nicht herausfielen, wenn er irgendwohin rannte, und sammelte dann seine restlichen
Sachen für den Strand zusammen. Bald darauf pfiff er schon vor sich hin, und Ted kam herunter, um zu sehen, was er gerade machte.
»Na, schon unterwegs, Käpt’n Garfield?«
Bobby nickte. »Savin Rock ist echt toll. Karussells und Achterbahnen und so, wissen Sie?«
»Ja, weiß ich. Viel Spaß, Bobby, und fall nirgendwo raus.«
Bobby machte sich auf den Weg zur Tür, dann schaute er zu Ted zurück, der in seinen Pantoffeln auf der untersten Treppenstufe stand. »Warum gehen Sie nicht raus und setzen sich auf die Veranda?«, fragte Bobby. »Ist doch bestimmt heiß im Haus.«
Ted lächelte. »Kann sein. Aber ich glaube, ich bleibe drinnen.«
»Alles in Ordnung?«
»Alles okay, Bobby. Es geht mir gut.«
Als er auf dem Weg zu den Gerbers die Straße überquerte, merkte Bobby, dass Ted ihm leidtat, weil er sich grundlos in seinem Zimmer
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