Atlantis
Herz-Dame. Der Mann mit der Melone nahm sie auf, zeigte sie ihnen und ließ sie geschickt zwischen den Fingern hin und her wandern. »Finden Sie die Frau in Rot, cherchez la femme rouge, darum geht’s, das ist alles«, sagte er. »Geschwind, geschwind, kann jedes Kind, wer sie findet, der gewinnt.« Er winkte Yvonne Loving zu sich herüber. »Komm mal her, Püppchen, und zeig den andern, wie es geht.«
Die immer noch kichernde Yvonne errötete bis an die Wurzeln ihrer schwarzen Haare, drückte sich an Rionda und murmelte, sie habe kein Geld mehr für Spiele, das habe sie alles schon ausgegeben.
»Macht doch nichts«, sagte der Mann mit der Melone. »Ist nur eine Demonstration, Püppchen - ich will deiner Mama und ihrer hübschen Freundin zeigen, wie leicht es ist.«
»Keine von beiden ist meine Mutter«, sagte Yvonne, trat jedoch vor.
»Wir sollten uns wirklich beeilen, wenn wir nicht in den dicksten Verkehr kommen wollen, Evvie«, mahnte Mrs. Gerber.
»Nein, Moment, das macht Spaß«, sagte Rionda. »Das ist Drei-Karten-Monte. Sieht einfach aus, genau wie er sagt, aber wenn man nicht aufpasst, vergisst man ganz schnell sein eigenes Limit und geht total pleite nach Hause.«
Der Bursche mit der Melone warf ihr erst einen tadelnden Blick und dann ein breites, gewinnendes Grinsen zu. Es war das Grinsen eines niederen Mannes, dachte Bobby plötzlich. Er gehörte nicht zu den Leuten, vor denen Ted Angst hatte, aber ein niederer Mann war er trotzdem.
»Sie sind ganz offensichtlich früher einmal das Opfer eines Schurken geworden«, sagte der Mann mit der Melone. »Obgleich es mein Vorstellungsvermögen übersteigt, wie jemand so grausam sein kann, eine so schöne, vornehme Dame schlecht zu behandeln.«
Die schöne, vornehme Dame - etwa eins fünfundsechzig groß, rund neunzig Kilo schwer, Schultern und Gesicht dick mit Pond’s eingeschmiert - lachte fröhlich. »Spar dir den Quark und zeig dem Kind, wie’s funktioniert. Und willst du mir wirklich erzählen, das sei legal?«
Der Mann hinter dem Tisch warf den Kopf zurück und lachte ebenfalls. »An den Enden des Mittelgangs ist alles legal, bis sie einen erwischen und rauswerfen, wie Sie wahrscheinlich wissen. Also wie heißt du, Püppchen?«
»Yvonne«, sagte sie so leise, dass Bobby es kaum hören konnte. Neben ihm sah Sully-John höchst interessiert zu. »Manchmal nennen die Leute mich Evvie.«
»Okay, Evvie, schau her, meine Hübsche. Was siehst du? Sag mir, wie sie heißen - ich weiß, das kann ein kluges Kind wie du -, und zeig dabei auf die jeweilige Karte. Keine Angst, du kannst sie ruhig anfassen. Hier geht es ehrlich zu.«
»Das da auf der einen Seite ist der Bube … das auf der anderen Seite ist der König … und das ist die Dame. Sie ist in der Mitte.«
»So ist es, Püppchen. In den Karten wie im Leben steht eine Frau oftmals zwischen zwei Männern. Darin besteht ihre Macht, und in fünf oder sechs Jahren wirst du das selber rausfinden.« Seine Stimme war zu einem leisen, beinahe hypnotischen Singsang abgesunken. »Jetzt schau genau hin, und lass die Karten keine Sekunde lang aus den Augen!« Er
drehte sie um, sodass man ihre Rückseiten sah. »Also, Püppchen, wo ist die Dame?«
Yvonne Loving zeigte auf die rote Rückseite in der Mitte.
»Hat sie recht?«, fragte der Mann mit der Melone die kleine Gruppe, die sich um seinen Tisch versammelt hatte.
»Bis jetzt schon«, sage Rionda und lachte so laut, dass ihr in kein Korsett geschnürter Bauch unter dem leichten Strandkleid wackelte.
Der niedere Mann mit der Melone lächelte über ihr Gelächter, bog eine Ecke der mittleren Karte um und zeigte ihnen die rote Dame. »Hundertprozentig koh-reckt, Schätzchen. So weit, so gut. Jetzt pass auf! Pass genau auf! Es ist ein Wettrennen zwischen deinem Auge und meiner Hand! Wer wird gewinnen? Das ist die Frage des Tages!«
Er begann, die drei Karten auf seinem Holztisch rasch umeinanderzuschieben, und verfiel dabei in einen Singsang.
»Auf und ab, klipp und klapp, rundherum, gerad und krumm, hin und her, ist nicht schwer, nun sind sie wieder Seit an Seit, jetzt sag, Püppchen, weißt du Bescheid?«
Während Yvonne die drei Karten musterte, die wirklich wieder nebeneinanderlagen, beugte sich Sully dicht zu Bobbys Ohr und sagte: »Man muss gar nicht zusehen, wie er sie durcheinandermischt. Die Dame hat eine umgebogene Ecke. Siehst du?«
Bobby nickte und dachte braves Mädchen , als Yvonne zögernd auf die Karte ganz links zeigte - diejenige mit
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