Atlantis
Jacke an und dann los, Sohnemann. Sonst kommst du noch zu spät zur Schule.«
Sie gingen zusammen die Treppe hinunter und auf die Veranda hinaus. Am Straßenrand stand ein Wagen von Town Taxi. Ein Mann in einer Popelinejacke lehnte sich durch das Beifahrerfenster und bezahlte den Fahrer. Hinter ihm lag ein kleiner Haufen von Gepäckstücken und Papiertüten, solche mit Henkeln.
»Das muss der Mann sein, der gerade das Zimmer im zweiten Stock gemietet hat«, sagte Liz. Ihr Mund hatte wieder seinen Schrumpftrick vollführt. Sie stand auf der obersten Verandastufe und warf einen abschätzigen Blick auf den schmalen Po des Mannes, der sich ihnen entgegenstreckte, während der Mann den Taxifahrer bezahlte. »Ich trau Leuten nicht, die mit Papiertüten umziehen. Für mich sieht’s einfach schlampig aus, wenn jemand seine Sachen in eine Papiertüte packt.«
»Er hat ja auch Koffer«, sagte Bobby, aber seine Mutter brauchte ihn gar nicht erst darauf hinzuweisen, dass die drei kleinen Koffer des neuen Mieters auch nicht viel hermachten. Sie passten nicht zueinander und sahen alle so aus, als wären sie von jemandem, der schlechte Laune hatte, mit den Füßen von Kalifornien bis hierher befördert worden.
Bobby und seine Mutter gingen den Zementweg entlang. Das Taxi fuhr los. Der Mann in der Popelinejacke drehte sich um. Für Bobby gab es drei Kategorien von Menschen: Kinder, Erwachsene und alte Leute. Alte Leute waren Erwachsene mit weißen Haaren. Der neue Mieter gehörte in diese Kategorie. Sein Gesicht war schmal und müde, nicht runzlig (außer um die ausgebleichten blauen Augen herum), aber mit tiefen Furchen. Seine weißen Haare waren so fein wie die eines Babys, und er hatte eine leichte leberfleckige Stirnglatze. Mit seinem hochgewachsenen Körper und der leicht gebeugten Haltung erinnerte er Bobby irgendwie an Boris Karloff in den Filmen, die sie jeden Freitagabend in der Reihe Shock Theater um halb zwölf auf WPIX zeigten. Unter der Popelinejacke trug er billige Arbeitskleidung, die aussah, als wäre sie ihm zu groß. Seine Füßen steckten in ausgetretenen Korduanlederschuhen.
»Hallo, Leute«, sagte er mit einem etwas bemüht wirkenden Lächeln. »Mein Name ist Theodore Brautigan. Ich werde wohl für eine Weile hier wohnen.«
Er streckte Bobbys Mutter die Hand hin. Diese ergriff sie nur kurz. »Ich bin Elizabeth Garfield. Das ist mein Sohn, Robert. Sie müssen uns entschuldigen, Mr. Brattigan …«
»Brautigan, Ma’am, aber ich würde mich freuen, wenn Sie und Ihr Junge mich einfach Ted nennen würden.«
»Ja, also, Robert muss zur Schule und ich zur Arbeit, und wir sind beide spät dran. War nett, Sie kennenzulernen, Mr. Brattigan. Na los, beeil dich, Bobby. Tempus fugit. «
Sie setzte sich bergab in Richtung Stadt in Bewegung; Bobby begann, bergauf zur Harwich Elementary zu gehen, der Grundschule auf der Asher Avenue, und zwar in langsamerem
Tempo. Nach drei oder vier Schritten blieb er stehen und blickte zurück. Er hatte den Eindruck, dass seine Mutter Mr. Brautigan gegenüber unhöflich und hochnäsig gewesen war. Hochnäsigkeit war die schlimmste Untugend in seinem kleinen Freundeskreis. Carol verabscheute hochnäsige Leute; Sully-John auch. Mr. Brautigan würde inzwischen wahrscheinlich schon halb bei der Veranda sein, aber wenn nicht, dann wollte Bobby ihm ein Lächeln schenken, damit er wusste, dass zumindest einer der Garfields nicht hochnäsig war.
Seine Mutter war ebenfalls stehen geblieben und blickte zurück. Nicht, weil sie Mr. Brautigan noch einmal ansehen wollte; auf die Idee kam Bobby erst gar nicht. Nein, ihr Blick galt ihrem Sohn. Sie hatte gewusst, dass er sich umdrehen würde, bevor Bobby es selbst gewusst hatte, und bei diesem Gedanken merkte er, wie sich sein normalerweise freundliches Naturell auf einmal verdunkelte. Sie sagte manchmal, dass es eher in Sarasota schneien würde, als dass Bobby ihr etwas vormachen könnte, und er glaubte, dass sie da recht hatte. Wie alt musste man eigentlich sein, um seiner Mutter etwas vorzumachen? Zwanzig? Dreißig? Oder musste man vielleicht warten, bis sie alt und ein bisschen matschig in der Birne war?
Mr. Brautigan hatte sich noch nicht in Bewegung gesetzt. Er stand am Kopfende des Weges, einen Koffer in jeder Hand und den dritten unter dem rechten Arm (die drei Papiertüten hatte er auf die Rasenfläche vor 149 Broad gestellt), tiefer gebeugt denn je unter diesem Gewicht. Er war genau zwischen ihnen, wie ein Schlagbaum oder so.
Liz
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