Atlas eines ängstlichen Mannes
traurigen Abschied von einer tahitianischen Geliebten bereits auf der ersten Etappe der Rückreise nach lange schwelenden Feindseligkeiten, schließlich einem offenen Streit um fehlende Kokosnüsse aus dem Schiffsproviant, einer solchen Wut verfallen, daß er Bligh und neunzehn seiner Getreuen vor den Tongainseln in einer sieben Meter langen und zwei Meter breiten Barkasse auf hoher See aussetzte und sie damit dem Tod durch Verhungern, Verdursten oder Ertrinken preisgab.
Aber Lieutenant Bligh schaffte eine bis dahin für unmöglich gehaltene navigatorische Glanzleistung, die ihm und seinen Männern nicht nur die Heimkehr nach England ermöglichte, sondern ihn endlich zum Kapitän, am Ende sogar zum Vizeadmiral machen sollte: Bligh erreichte mit dem überladenen, schwer zu manövrierenden Boot segelnd und rudernd in achtundvierzig Tagen die fast sechstausend Kilometer entfernte Hafenstadt Kupang auf Timor, eine holländische Kolonie, kartographierte auf dieser Schreckensfahrt unter allen Qualen von Durst, Hunger, brennender Hitze und Sturm und ohne in der Enge zwischen den Ruderbänken auch nur ein einziges Mal ausgestreckt geschlafen zu haben, vierzig unbekannte Inseln und Riffe und kehrte über Batavia, dem späteren Jakarta, auf einem Handelsschiff nach England zurück. Sein Bericht an die Admiralität löste dort die bis dahin längste, über den halben Erdball führende Verfolgungsjagd der königlichen Marine aus.
Die Meuterer hatten sich inzwischen mit der Bounty auf die Suche nach einer Insel abseits aller Schiffsrouten gemacht und schon geglaubt, auf dem Südseeatoll Tubuai einen sicheren Ort gefunden zu haben. Aber anders als die Tahitianer wollten die Bewohner Tubuais den Fremden weder dienen noch ihnen ihre Nahrungsmittel und schon gar nicht ihre Frauen ausliefern – und starben zur Strafe in einem Massaker, nach dem Christians Männer ohne eigene Verluste wieder Segel setzten: Sechsundsechzig Tote blieben auf dem Atoll zurück. Und die Bounty nahm neuerlich Kurs auf Tahiti, wo sechzehn Meuterer trotz der Gefahr, hier eines Tages von einem englischen Kriegsschiff aufgespürt zu werden, im Streit über die Zukunft und auch über das Blutbad auf Tubuai, von Bord gingen.
Von diesen
Tahitianern
waren nach einer tödlichen Schlägerei und der nachfolgenden Blutrache nur noch vierzehn am Leben, als die königliche Fregatte
HMS Pandora
achtzehn Monate später in der Matavai-Bucht, an deren Stränden sich die meisten Flüchtigen mit ihren tahitianischen Frauen angesiedelt hatten, Anker warf. Die Flüchtigen, von denen einige nicht freiwillig auf der Bounty geblieben, sondern William Bligh nur aus Platzmangel nicht ins Beiboot gefolgt waren, wurden innerhalb von zwei Tagen gefaßt, in Ketten geschlagen und in einem kleinen, glutheißen Käfig auf dem Achterdeck zusammengepfercht. Zwischen Schuldigen und Unschuldigen sollten Richter in England entscheiden.
Aber auf der vergeblichen weiteren Suche nach dem Rest der Meuterer lief die Pandora vor Australien auf das Große Barriereriff und sank, und mit einunddreißig Seeleuten ertranken auch vier der angeketteten Männer von der Bounty; ihr Käfig war erst im letzten Augenblick geöffnet worden. Die Überlebenden – Gefangene wie ihre Jäger und Bewacher – mußten nun gemeinsam in Rettungsbooten die Schreckensfahrt des ausgesetzten William Bligh und seiner Leidensgefährten wiederholen. Nach endlosen Wochen, in denen nur das Blut erjagter Seevögel und der eigene Urin den rasenden Durst linderten, landeten auch sie auf Timor und kehrten über Batavia nach Portsmouth zurück. Dort wurden sechs Meuterer zum Tode verurteilt. Drei von ihnen begnadigte der König, drei wurden an der Rah des Kriegsschiffs
HMS Brunswick
gehängt, wo sie zur Abschreckung noch stundenlang im Wind pendelten.
Am anderen Ende der Welt, nach dem Massaker auf Tubuai und der Zerstreuung der Mannschaft auf Tahiti, wollten Fletcher Christian und seine acht verbliebenen Gefährten nur noch unbewohnte Inseln suchen. Aber um an einem menschenleeren, unbekannten Ziel nicht ohne Frauen und Knechte zu sein, hatte Christian in einer stürmischen Nacht vor Tahiti die Ankertaue kappen lassen und so zwölf an Bord gelockte Tahitianerinnen und sechs Männer aus Tahiti, Tubuai und Raiatea zu einer Reise gezwungen, von der keiner je zurückkehren sollte.
Christian kannte aus der Bordbibliothek der Bounty Berichte von einer bereits 1767 entdeckten und nach einem Seekadetten namens Robert Pitcairn
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