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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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würden sich alle so verhalten wie Amy Trillis an meiner alten Schule? Sicher, es war bekannt, dass ich der Junge war, der versucht hatte sich umzubringen und einen Teil des Sommers in der Klapsmühle verbracht hatte, was mich nicht gerade zum beliebtesten Schüler machte. Vor allem aber war es viel einfacher für mich, mich auf niemanden einzulassen, um allen Risiken aus dem Weg zu gehen. Außerdem brauchte ich an der Schule keine Freunde, da ich ja Jake und Val hatte. »Doch«, beantwortete ich Nickis Frage, »zwei, die ich aus der Klinik kenne.«
    »Ah ja? Sind die irgendwie verrückt oder so?«
    »Na logisch. Wir treffen uns regelmäßig, um zusammen zu sabbern und uns gegenseitig auf den Kopf zu hauen. Echtes Irren-Bonding.«
    Ein Postauto rumpelte vorbei und hüllte uns in Abgase ein. Wir hielten den Atem an, bis das Auto um die Ecke gebogen war. Dann sagte Nicki: »So hab ich das nicht gemeint. Sind sie noch in der Klinik?«
    »Nein, wir sind alle wieder draußen. Val wurde als Erste entlassen …«
    Ich hielt inne, weil mir einfiel, wie Val uns im Patterson Hospital besucht und im Aufenthaltsraum ein Konzert gegeben hatte. Und wie sie mir die Finger ums Handgelenk gelegt hatte.
    »Was ist denn?«, fragte Nicki, als sie merkte, wie weggetreten ich war.
    Ich schüttelte den Kopf. »Hab nur gerade an was gedacht.« In dem Moment fuhr Kent vor. Damit war das Gespräch beendet.
    Nicki spielte am Radio herum, bis Kent sie schließlich anschnauzte. Ich lehnte den Kopf gegen das Fenster. Im Geiste war ich immer noch bei jenem Sommerabend vor einem Jahr, als Val zu Besuch in die Klinik gekommen war. Da sie von draußen kam, eine von denen und nicht von uns war, brachte ich es kaum über mich, mit ihr zu sprechen. Die ganze Zeit lang war meine Kehle wie zugeschnürt. Ich wäre auch nicht zu ihrem Konzert gegangen, wenn Jake mich nicht dorthin geschleift hätte.
    »Was soll denn das?«, fuhr ich ihn an, als er mich in den Aufenthaltsraum schob, doch er achtete gar nicht auf mich und nahm in der ersten Reihe Platz, während Val auf dem Klavier herumklimperte, um festzustellen, ob es verstimmt war.
    Ich setzte mich hinten hin, in die Nähe des Fensters, ohne die Lampe neben mir anzumachen. Trotzdem war es im Raum so hell, dass ich, wenn ich zum Fenster rausblickte, nur mein Spiegelbild und das des Aufenthaltsraums mit all den anderen Psychos sehen konnte. Und obwohl Vals Musik mich total aufwühlte, die Klaviersaiten direkt mit meinen Nerven verdrahtet zu sein schienen, obwohl einige der Leute um mich herum weinten und auch mir die Augen brannten, musste ich ständig daran denken, wie sehr ich Val hasste – so sehr, dass ich mich weigerte, sie anzusehen, und mir alle Mühe gab, ihrer Musik nicht zuzuhören.
    Nach dem Konzert scharten sich alle um sie. Ich blieb zunächst sitzen, weil meine Beine so schwer waren, als hätte man sie mit Ketten an den Stuhl gefesselt. Erst nach einer Weile wagte ich es, mit ausdruckslosem Gesicht an Val vorbeizugehen. Als ich mich aus dem Aufenthaltsraum stahl, unterhielt sie sich immer noch mit den anderen, darunter auch Jake. Doch sie folgte mir in den Gang und tippte mir auf den Arm.
    »Wie geht’s dir? Wolltest du denn nicht Hallo zu mir sagen?«
    »Hallo.«
    »Was ist los?«
    »Wie kommst du darauf, dass was los ist?«
    »Na ja, während meines Konzerts hast du die ganze Zeit mit verschränkten Armen dagesessen und aus dem Fenster gestarrt, als wärst du unglaublich sauer.« Ihre Stimme wurde sanfter. »Was ist denn? Sag schon.«
    »Du raffst es einfach nicht«, erwiderte ich, ohne sie anzusehen.
    »Was denn?«
    Ich konzentrierte meinen Blick auf das EXIT-Schild am Ende des Gangs. »Es war furchtbar nett von dir, herzukommen und für uns zu spielen, für die bedauernswerten Insassen, aber jetzt kannst du wieder in dein normales Leben zurückkehren.«
    Sie packte mich beim Handgelenk, und ich spürte, wie mein Puls gegen ihre Finger hämmerte. Sie sagte: »Ich bin immer noch …«
    Obwohl mir die Zunge am Gaumen klebte, schaffte ich es, krächzend hervorzustoßen: »Immer noch was?«
    »Ich bin immer noch deine Freundin. Glaubst du, ich würde dich vergessen? Würde vergessen, wie es hier drinnen ist? Glaubst du, ich will das alles vergessen?«
    »Warum solltest du dich denn daran erinnern wollen?«
    »Weil es ein Teil von mir ist. Weil ich dich und Jake gernhabe.«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie war jetzt draußen, war wieder in der normalen Welt, während ich hier festsaß und

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