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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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würde sie die Sache auf jeden Fall durchziehen.
    Sie griff nach meiner Hand und schlang ihre feuchten Finger um meine. »Wird schon klappen, was?«, sagte sie mit glänzenden Augen – nicht vor Freude, sondern eher fiebrig.
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich, weil ich sie nicht anlügen wollte. Schon im nächsten Moment wünschte ich, ich hätte Ja gesagt, weil deutlich zu merken war, dass sie eine Bestätigung brauchte. Doch sie lachte und schlug mir auf die Schulter, während der fiebrige Glanz aus ihren Augen verschwand.
    »Auf dich ist doch immer Verlass«, meinte sie und kletterte aus dem Truck (was, wie ich bemerkte, gar nicht so einfach war, wenn man einen Rock trug; jedenfalls bekam ich flüchtig ein vanillefarbenes Spitzenhöschen zu sehen). Ich folgte ihr die Treppe hoch. Die Katze strich uns miauend um die Beine.
    Die Frau, die uns an der Tür empfing, sah fast so jung aus wie wir. Ihre blonden Locken reichten ihr bis zur Taille und sie blinzelte uns aus großen Kulleraugen an. »Kommt rein«, sagte sie mit einer unglaublich hohen Kleinmädchenstimme, bei deren Klang es mir kalt über den Rücken lief. Wenn sie tatsächlich übernatürlich begabt war, dann mussten ihre Kräfte in ihrer Stimme liegen, so wie Paulas Kräfte in ihren Augen gebündelt gewesen waren.
    Wir traten in ein heißes, stickiges Zimmer, wo es so dunkel war, dass ich kaum meine Füße erkennen konnte. Celestia – so hieß das Medium – führte uns in einen winzigen Raum, der nur von Kerzen beleuchtet wurde. Zunächst dachte ich, das Zimmer habe keine Fenster, doch als meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, stellte ich fest, dass die Fenster mit dicken dunklen Handtüchern oder Decken verhangen waren. Dieses Haus kam dem, was ich für ein Treffen mit den Toten erwartet hatte, bisher am nächsten, auch wenn ich nirgendwo eine Kristallkugel entdecken konnte.
    Auf eine Geste von Celestia hin setzten wir uns ihr gegenüber auf niedrige Stühle, die an einem Tisch standen.
    Nicki zerrte an ihrem verschwitzten Shirt herum. Am liebsten hätte ich meine Lippen auf ihren Hals gepresst und ihr zugeflüstert, sie solle dieses ganze verrückte Zeug vergessen. Daraufhin wandte ich sofort den Blick von ihrem Hals ab.
    Celestia beugte sich zu uns. Ich an ihrer Stelle hätte Angst gehabt, von den Kerzen versengt zu werden, besonders wenn ich so langes Haar gehabt hätte wie sie. Doch sie schob furchtlos den Kopf zwischen die Flammen vor und legte die Arme auf den Tisch. »Ich nehme an, ihr seid hier, um jemand ganz Bestimmten zu kontaktieren.«
    »Richtig«, antwortete Nicki, während ich über Celestias Worte nachdachte. Wollte denn nicht jeder, der hierherkam, mit jemand ganz Bestimmtem sprechen? Gab es wirklich Leute, die den langen Weg hierher zurücklegten, um dann aufs Geratewohl mit irgendwelchen Toten zu reden, die zufällig zwischen Diesseits und Jenseits rumhingen?
    Ich zwang mich, mich auf das zu konzentrieren, was sich vor mir abspielte.
    Celestia schloss die Augen und sagte in leierndem Tonfall: »O ihr Geister, wir rufen euch an, besonders jenen Geist, mit dem unsere liebe Freundin Nicki sehnsüchtig zu sprechen wünscht. O ihr Geister, bitte hört ihren Ruf und schickt ebendiesen Geist zu uns. O ihr Geister, bitte macht den Weg frei und lasst diesen einen erscheinen. O ihr Geister …«
    Nickis Augen huschten im Zimmer umher, als rechne sie jeden Moment damit, dass die Geister Celestias Anrufung folgen und sich materialisieren würden. Die schwüle Luft machte mir das Atmen schwer, Schweiß sickerte mir über den Rücken. Die Kerzen schienen den Raum immer stärker aufzuheizen, so klein ihre Flammen auch waren.
    Celestias Kopf sank nach unten. Nicki und ich warfen uns einen Blick zu. Ich stellte mich darauf ein, aufzuspringen und die Flammen zu ersticken, falls Celestias Haare Feuer fingen.
    Ringsum Stille. Nur unser Atem war zu hören sowie das Zirpen der Zikaden draußen, ein monotones An- und Abschwellen, das mich schläfrig machte. Das Blut schien immer träger durch meine Adern zu fließen.
    »Ich höre sie«, murmelte Celestia schließlich.
    »Was?«, sagte Nicki.
    Celestia hob den Kopf und öffnete die Augen. »Wir haben Kontakt aufgenommen.«
    »Mit meinem Dad?«
    »Mit jenen Geistern, die bereit sind zu erscheinen. Möchtest du ihre Botschaft hören?«
    Nicki nickte.
    Celestia warf einen kurzen Blick auf mich. Ich blieb reglos sitzen. Sie schloss erneut die Augen und sagte: »In Ordnung. Dann werden wir

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