Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
Vom Netzwerk:
das Geruckel so schlimm wurde, dass ich dachte, mein Kopf würde das Wagendach durchstoßen. Nachdem die Räder eine Minute lang im Schlamm durchgedreht hatten, gelangten wir endlich auf den etwas festeren Untergrund des Schotterwegs. Nicki beschleunigte das Tempo, sodass links und rechts kleine Steine hochflogen.
    Ich hielt den Mund, bis sie auf den Parkplatz einer kleinen Tankstelle fuhr. »Ich brauch unbedingt ein Eis«, sagte sie. »In diesem Haus hab ich mindestens zwei Liter ausgeschwitzt und mir ist schweineheiß.«
    Wir kauften uns große Doppelwaffeln mit Schokoeis, die wir auf dem Parkplatz aßen, wobei das Eis sofort anfing zu schmelzen und zu tropfen, sobald wir es auswickelten. Ich war ganz froh, dass wir uns nicht unterhalten konnten, weil wir uns aufs Eislecken konzentrieren mussten. Als wir fertig waren, ging ich noch einmal in den Laden, um eine große Flasche mit Wasser zu kaufen. Nachdem ich etwas Wasser über unsere klebrigen Hände gegossen hatte, tranken wir jeder einen Schluck.
    »Jetzt fühle ich mich fast wieder wie ein Mensch«, sagte Nicki und nahm noch einen Schluck Wasser. Dann brach sie in Tränen aus.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Eigentlich hatte ich angenommen, dass die Krise vorüber war und sie sich wieder beruhigt hatte. Ich stand wie ein Idiot da, während sie schluchzend die Flasche umklammerte und sich die Tränen von den Wangen wischte.
    »Nicki …« Ich nahm ihr die Flasche ab und streckte die Hand aus, um ihr den Rücken zu tätscheln. Ich hatte einen Horror davor, andere anzufassen, weil ich immer Angst hatte, dass ich zu sanft oder zu grob war. Außerdem befürchtete ich, dass Nicki meine Hand abschütteln würde. Wenige Zentimeter vor ihrem durchgeschwitzten T-Shirt machte ich halt.
    Sie schniefte. »Ich bin okay«, sagte sie. »Lass uns von hier verschwinden.«
    »Kannst du denn jetzt überhaupt fahren?«
    Sie nickte und wir stiegen in den Truck. Nachdem wir ein paar Kilometer gefahren waren, bog sie wieder von der Straße ab, diesmal zum Parkplatz eines Friedhofs. Der Parkplatz hatte nur wenige Stellplätze und war mit Kies aufgeschüttet, aus dem Unkraut spross. Außer unserm Truck waren keine Fahrzeuge da. Nicki ging auf den Friedhof und legte sich in den Schatten eines gewaltigen Ahornbaums. Ich setzte mich neben sie.
    »Mein Dad wurde nicht beerdigt«, erklärte sie.
    »Oh«, erwiderte ich. Eine bessere Antwort fiel mir nicht ein.
    »Er wurde verbrannt. Seine Asche haben wir von der Spitze des Mount Pembroke gestreut.«
    In der Klinik hatte ich Kids kennengelernt, die ausgiebig darüber nachgedacht hatten, was nach ihrem Tod mit ihrem Körper geschehen sollte. Mir selbst war das egal gewesen – ich wollte nur rasch ein Ende machen, um keine Entscheidungen mehr treffen zu müssen. Ob man mich nun verbrannte oder begrub, war mir schnurz.
    »Wenn er beerdigt worden wäre, könnte ich sein Grab besuchen. Glaubst du, dass ich mich ihm dann näher fühlen würde? Auf dem Mount Pembroke fühle ich überhaupt nichts.«
    »Weiß auch nicht. Zwei meiner Großeltern wurden beerdigt, aber wir gehen nie zu ihren Gräbern. Die sind irgendwie weit weg.«
    In den Bäumen zirpten die Zikaden. Auf meiner Stirn und unter meinem Hemdausschnitt sammelten sich Schweißtropfen.
    Nicki drehte mir den Kopf zu. »Celestia hat dasselbe wie ich über dich gesagt.«
    »Was?«
    »Zuerst ist mir das gar nicht aufgefallen. Aber sie hat praktisch das gesagt, was ich nach unserm Besuch bei Paula gesagt habe. Dass du die Verbindung zu meinem Vater bist.«
    »Das hat sie doch gar nicht gesagt.«
    »Sie hat gesagt, dass du ein spiritueller Führer bist und eine Botschaft für mich hast. Ist doch dasselbe, oder?«
    »Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche spirituellen Botschaften für dich habe.« Ich hätte ihr gern das zerzauste, verschwitzte Haar glatt gestrichen, hatte aber Angst davor, sie anzufassen. Nur zu deutlich nahm ich die Rundung ihrer Hüften und ihre sich unter dem weißen Stoff abzeichnenden Brüste wahr. Außerdem bemerkte ich, dass ihr Rock ihr die Schenkel hochgerutscht war. Mit aller Kraft versuchte ich, nicht daran zu denken, dass ich vorhin, als sie aus dem Truck geklettert war, kurz ihr Höschen zu sehen bekommen hatte. Und ich hasste mich dafür, dass mir all das ausgerechnet auf einem Friedhof auffiel, während wir über ihren toten Vater sprachen.
    »Doch, hast du.« Sie schloss die Augen. »Du weigerst dich bloß, sie mir mitzuteilen!«
    »Nicki, was erwartest du

Weitere Kostenlose Bücher