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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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nicht sehen kann.« Als ich keine Antwort gab, fuhr sie fort: »Was dachtest du eigentlich, was mit dir geschehen würde?«
    »Wie meinst du das?«
    »Als du … du weißt schon, als du es versucht hast. Was hast du da erwartet?«
    Ich presste die Finger gegen das Seitenfenster. »Ehrlich gesagt habe ich darüber nicht groß nachgedacht.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Tja …« Mir war, als würde ich den Benzingeruch in der Garage wieder wahrnehmen, den Zündschlüssel wieder zwischen meinen Fingern spüren. »Ich dachte, es wäre wie Schlaf.«
    »Der ewig dauert?« Sie schüttelte den Kopf. »Gott, ich hoffe, es ist mehr als das.«
    Harrisville war der ödeste Ort, den ich je gesehen hatte – ein Vorort wie der, in dem ich gewohnt hatte, bevor meine Mutter das Verlangen packte, in ihrem exklusiven Walddomizil zu leben. Die Grundstücke und Häuser, die alle im Ranchstil gebaut waren, glichen einander wie ein Ei dem andern. Ich sagte Nicki, wo sie abbiegen musste, und wir machten an einem gelben Haus halt.
    »Sie soll sehr gut sein«, erklärte Nicki und starrte das Haus an, machte jedoch keine Anstalten, die Autotür zu öffnen.
    »Sagt wer? Die Amerikanische Akademie für Übersinnliches?«
    »Sagen Leute, die ihre Dienste in Anspruch genommen haben.« Nickis Entschlossenheit kehrte zurück. »Na komm, lass uns reingehen.«
    Andrea war sanft und ruhig gewesen und hatte ständig gelächelt. Paula hingegen war groß und breit, ihr Gesicht grobschlächtig und wie aus Holz geschnitzt. Sie musterte uns, als hätte sie einen Röntgenblick. Nicki wurde blass und schien förmlich zusammenzuschrumpfen. Ich dachte bei mir, dass Paula zumindest die richtigen Augen hatte, falls sie wirklich übersinnlich begabt sein sollte. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich ja nicht an diesen ganzen Zauber glaubte.
    Sie führte uns in ein Büro mit dunkler Wandtäfelung und rotem Teppich. Nicki und ich nahmen auf zwei Stühlen Platz, Paula setzte sich uns gegenüber und fuhr fort, uns zu studieren. Als ich mich am Kinn kratzte, folgten ihre Augen meiner Hand. Als ich die Hand in den Schoß sinken ließ, verfolgte sie auch das mit ihrem Blick. Nicki räusperte sich und Paula drehte sich ihr zu.
    »Du möchtest mit jemandem sprechen, der wichtig für dich ist und eine große Bedeutung in deinem Leben hat«, sagte Paula mit einer Stimme, die so tief wie die eines Mannes war.
    »Ja«, erwiderte Nicki.
    Paula stierte Nicki an, Nicki starrte zurück. Ich überlegte, ob Paula wohl versuchte, Nicki zu hypnotisieren. Vielleicht würde sie Nicki auf diese Weise suggerieren, sie habe ihren Vater kontaktiert.
    »Er hört dich«, verkündete Paula.
    Nicki hüstelte. »Äh … was?«
    »Er hört dich. Die Person, nach der du suchst.«
    Nicki scharrte mit den Füßen auf dem roten Teppich. »Was … was hat er mir denn zu sagen?«
    Sie fixierten einander, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Ich hatte das Gefühl, allmählich unsichtbar zu werden und mit dem Muster des Stuhlbezugs zu verschmelzen. Die Luft hier war so stickig, als stehe sie schon seit Jahrzehnten in diesem Zimmer. Sie roch nicht direkt schlecht – nur alt und verbraucht.
    Paula seufzte und legte sich ihre breite Hand mit gespreizten Fingern auf den Schenkel. »Es gibt viele unbeantwortete Fragen.«
    Ja, dachte ich bei mir, das kannst du laut sagen . Genau deshalb sind wir hier .
    Blitzschnell drehte Paula den Kopf in meine Richtung. Ihr bohrender Blick rief ein Prickeln auf meiner Haut hervor. »Du blockierst.«
    »Wie bitte?«
    »Deine negative Energie blockiert den Geist.« Zur Veranschaulichung hob sie die Hand. »Deshalb kann er nicht zu mir durchdringen.«
    Sie drehte sich zu Nicki zurück. »Dein Freund muss gehen und draußen warten.«
    Nicki sah mich an.
    Ich wollte sie nicht allein lassen. Schließlich wussten wir nicht das Geringste über Paula mit dem Jenseitskontakt. Andererseits wusste ich, dass Nicki unbedingt mit ihrem Vater sprechen wollte. Vielleicht sollte ich mich also draußen vor die Tür setzen – wie ein Wachhund. Genau das wollte ich ja auch sein.
    Nicki rieb sich über den Mund. Paula saß reglos wie eine wuchtige Statue da.
    Als ich Anstalten machte aufzustehen, sagte Nicki: »Nein. Er bleibt hier.«
    »Aber er stört die Verbindung«, grummelte Paula.
    »Er ist die Verbindung.«
    Was?
    Paula und Nicki starrten einander so lange an, dass ich schon dachte, die Augen würden ihnen aus dem Kopf fallen. Paula wandte als Erste den Blick ab und sah in

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