Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
Vom Netzwerk:
beantwortet. Daraufhin hatte sie mir später noch eine geschickt.
    »Also, ich weiß, dass es albern ist und ich mir keine Sorgen machen sollte, aber Tatsache ist, dass ich mir welche mache, wenn so etwas passiert. Erinnerst du dich noch, wie wir in der Klinik über Nachahmungstaten gesprochen haben? Ich weiß ja, dass du so was nicht machen würdest, aber das Ganze geht einfach ein bisschen zu sehr an die Substanz, besonders, da es sich um Jake dreht. Ich habe nicht vergessen, wie ihr zwei ständig über die besten Methoden, sich umzubringen, gesprochen habt. Und obwohl das lange zurückliegt, ist er jetzt wieder in der Klinik. Ich wäre dir dankbar, wenn du mir kurz mitteilen würdest, dass du okay bist.
    Und wenn du nicht okay bist, will ich es erst recht wissen!«
    Unterschrieben hatte sie mit »Alles Liebe, Val«.
    Ich konnte mir gut vorstellen, was sie gedacht hatte, als auch diese Mail unbeantwortet geblieben war. Abgeschickt hatte sie sie um 6:23. Ich klickte sofort Antworten an – und zwar nicht nur, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen. Jake hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten? Warum hatte ich das nicht schon früher erfahren?
    »Hey, Val, ich bin’s. War den ganzen Tag unterwegs & hatte mein Handy ausgestellt.
    Hat Jake sich wirklich die Pulsadern aufgeschnitten? Das hat meine Mutter überhaupt nicht erwähnt. Sie hat nur gesagt, er sei wieder im Patterson Hospital.«
    Offenbar lauerte Val am Computer, weil ihre Antwort prompt eintraf.
    »Wahrscheinlich hatte sie Angst, es dir zu erzählen. Wegen deiner Vorgeschichte.«
    Meine Vorgeschichte . Ist ja entzückend.
    »Aber es stimmt«, fuhr sie fort. »Er hat sich aufgeschlitzt, doch es hat nicht geklappt.«
    »Gut. Ich meine, gut, dass es nicht geklappt hat.«
    Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Bist du okay?«
    »Ja.«
    »Wirklich? Denn wenn nicht, kannst du es mir ruhig erzählen. Als ich sagte, ich will, dass wir Freunde sind, habe ich das ernst gemeint. Obwohl Freunde ein zu schwacher Ausdruck ist. Ich mag dich sehr. Ich hoffe, das weißt du.«
    In gewisser Weise war es, wenn sie solche Dinge sagte, schwerer zu ertragen, als wenn sie mich kalt hätte abblitzen lassen. Manchmal ist es schlimmer, fast etwas zu bekommen, als nicht die geringste Chance zu haben. Wieder spürte ich den Abstand, den es zwischen uns gegeben hatte, als ich mich zu ihr gebeugt hatte und sie vor mir zurückgewichen war – diesen Abstand, der zum Verrücktwerden gering und gleichzeitig so groß wie das Universum war. Trotzdem – wir waren immer noch Freunde. Und da war Jake, um den wir uns Sorgen machten.
    »Ja, ich bin wirklich okay. Und du?«
    »Ich auch. Aber ich bin wütend auf J. Und gleichzeitig tut er mir leid. Am liebsten würde ich ihm erst eine Ohrfeige verpassen und ihn dann umarmen.«
    Solche Empfindungen hatte ich bisher noch nicht gehabt. Bei mir dauerte es immer ewig, bis alles durch die Glasscheibe zu mir durchgedrungen war. Wenn ich dann etwas empfand, hatte die Welt sich inzwischen weitergedreht, sodass ich stets über Dinge nachdachte, die für alle anderen schon vorbei waren. Ich begnügte mich damit zu schreiben: »Kann ich verstehen.«
    »Wenn er doch bloß mit mir geredet hätte! Eine Weile hat er es ja getan, aber zum Schluss kam dann nichts mehr. Obwohl ich immer da war.«
    »Manchmal ist das einfach zu schwer.«
    »Quatsch. Schwerer, als sich umzubringen?«
    Das zielte, wie ich wusste, auch auf mich. Jakes und mein Wunsch zu sterben hatte Val immer beunruhigt. Sie verstand nicht, warum wir so waren, und wollte uns immer zurechtbiegen .
    »Meine Mom hat gesagt, er sei okay«, schrieb ich. »Stimmt das? Oder hat sie mich da auch angelogen? Ich meine, ist er körperlich okay? Dass er nicht völlig okay ist, weiß ich.«
    »Körperlich ist alles in Ordnung. Soviel ich weiß, haben sie ihn einfach zugenäht.«
    Nachdem wir noch ein paar Mails ausgetauscht hatten – hauptsächlich darüber, dass wir hofften, Jake würde es schaffen –, verabschiedeten wir uns voneinander. Anschließend tigerte ich eine Weile in meinem Zimmer auf und ab. Am liebsten wäre ich nach unten gegangen, um meine Mutter zur Rede zu stellen – sie zu fragen, was zum Teufel sie sich dabei gedacht hatte, mir nichts davon zu sagen.
    Doch ich wusste bereits, was sie sich gedacht hatte, wusste, dass sie meinte, ich würde nicht damit fertig werden, und dass sie befürchtete, Jakes Selbstmordversuch könne mich auf schlimme Gedanken bringen. Außerdem hatte ich keine Lust,

Weitere Kostenlose Bücher