Atme - wenn du kannst!
Leute, die illegal nach Schätzen suchen. Alles, was an Schiffswracks innerhalb der Drei-Meilen-Zone vor der Küste liegt, gehört eigentlich dem amerikanischen Staat. Wenn man dort zum Beispiel Goldmünzen entdecken würde, dann müssten die eigentlich ins Museum.“
„Ah, ich kapiere. Aber diese Raubtaucher scheren sich nicht darum und wollen den Gewinn in die eigene Tasche scheffeln. Sie suchen ohne Lizenz unter Wasser nach Schätzen?“
„Genau.“
„Wieso wurde die Leiche eigentlich gefunden?“, wollte Emily wissen. „Sinkt ein toter Körper nicht auf den Meeresgrund?“
„Normalerweise schon. Aber es gibt hier sehr starke Strömungen. Außerdem hat Tina wohl irgendwie ihre Weste verloren, daher hatte sie nur noch einen sehr geringen Abtrieb. Jedenfalls war sie schon zwei Tage tot, als die Männer von der Coast Guard sie entdeckt haben.“
„Wenn ihr weiter über solche grausigen Dinge reden wollt, gehe ich wohl besser an Deck“, stöhnte Melanie. „Sonst kriege ich noch Albträume.“
„Nein, mir reicht es auch“, sagte Emily. Sie hatte vollstes Verständnis für Melanie, denn der Gedanke an ihre eigenen düsteren Visionen in der Nacht zuvor war grässlich genug.
„Na, jedenfalls habe ich keine Angst vor Raubtauchern“, sagte Vivian abschließend. „Kapitän Kendall ist einer der erfahrensten Tauchlehrer an der Südküste Floridas. Er kennt hier alle Gefahren, von Salzwasser-Alligatoren über Hurrikans bis zu Raubtauchern. Wenn es jemanden gibt, bei dem wir uns sicher fühlen können, dann ist er es.“
Emily konnte Vivians Worten nur zustimmen, obwohl sie den Kapitän nur kurz kennengelernt hatte. Kendall strahlte Autorität, aber auch Verlässlichkeit aus. Jedenfalls hatte Emily keine Probleme damit, sich ihm anzuvertrauen.
Die drei Frauen räumten ihr Gepäck ein und plauderten dabei weiter miteinander. Es stellte sich heraus, dass Emily als Einzige von ihnen aus Florida stammte. Melanie war Texanerin, Vivian lebte in South Carolina.
„Ich hoffe, es gibt bald was zu essen“, stöhnte Melanie. „Diese Seeluft macht mich total hungrig.“
„Aber die Fortuna ist doch noch nicht mal ausgelaufen“, erwiderte Vivian.
„Na und? Trotzdem weht hier an der Küste eine frische salzige Brise.“
„Jedenfalls können wir den Hafen nicht verlassen, bevor die Typen aufgekreuzt sind.“
„Du meinst die männlichen Tauchschüler?“, vergewisserte sich Emily.
„Klar, von denen rede ich. Oder habt ihr schon einen von ihnen gesehen?“
Emily und Melanie schüttelten gleichzeitig den Kopf. In diesem Moment klopfte es an der Tür, und sie hörten von draußen Sams Reibeisenstimme.
„Ladys? Es gibt bald Dinner, und außerdem sind die drei Tauchschüler im Anmarsch.“
„Das Universum hat meine Gebete erhört“, seufzte Melanie.
„Hast du um Essen oder um tolle Typen gefleht?“, fragte Vivian grinsend. Sie lachten alle drei. Dennoch schlug Emilys Herz schneller, als sie gleich darauf gemeinsam mit Melanie und Vivian an Deck ging. Natürlich war sie auch neugierig auf die drei, obwohl sie nach ihren Erfahrungen mit Jim Meadows eigentlich die Nase voll von Männern hatte.
Kaum hatte sie an ihren Exfreund gedacht, als sich eine dunkle Wolke in ihrer Seele auszubreiten schien. Ansonsten war es ihr sehr gut gegangen, seit sie die Planken der Fortuna betreten hatte. Emily presste die Lippen aufeinander und zwang sich dazu, die Schatten der Vergangenheit zu verdrängen.
Emily, Melanie und Vivian lehnten sich auf dem Achterdeck gegen die Reling und musterten mehr oder weniger unauffällig die drei Tauchschüler.
„Ich komme mir vor wie bei einem Blind Date“, wisperte Melanie.
„Kann es sein, dass du etwas missverstanden hast, Süße? Das hier ist ein Tauchlehrgang und kein Flirtkursus“, gab Vivian trocken zurück.
„Okay, aber man kann ja das eine mit dem anderen verbinden, oder vielleicht nicht? Was meinst du dazu, Emily?“
Melanie musste Emilys Namen noch ein zweites Mal nennen, bevor diese sich angesprochen fühlte. Einer von den drei Typen gefiel ihr nämlich besonders gut. Durchtrainiert und athletisch waren sie alle, aber das konnte man von angehenden Tauchern gewiss auch erwarten. Doch dieser Dunkelhaarige gefiel ihr viel besser als der Strohblonde und der Schwarzgelockte. Er hatte etwas Besonderes an sich, das nur schwer zu beschreiben war. Aber auf jeden Fall berührte schon sein bloßer Anblick Emilys Herz. Wann hatte sie das letzte Mal so empfunden?
Bei Jim
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