Atme - wenn du kannst!
munter. Es dauerte nicht mehr lange, bis sich alle zum Frühstück versammelten. Emily konnte inzwischen viel besser verstehen, dass Melanie am Vortag solchen Hunger gehabt hatte. An diesem Morgen hätte sie ein ganzes Schwein auf Toast verdrücken können. Stattdessen verschlang sie eine Riesenportion Eier mit Speck.
Als Lee die Messe betrat, setzte er sich sofort neben Emily.
„Andere Mädchen würden dich um deine Figur beneiden“, raunte er ihr zu. „Die nehmen schon zu, wenn sie nur ans Essen denken. Aber du hast offensichtlich keine Probleme mit dem Gewicht.“
„Danke.“
Emily war irgendwie gerührt von Lees unbeholfenem Versuch, ihr ein Kompliment zu machen. Warum konnte sie sich zu Abwechslung nicht einmal in einen Typen wie Lee verlieben, der einfach nur ein netter Kerl war? Aber genau darin lag das Problem. Emily wollte es sich zuerst nicht eingestehen, doch sie fühlte sich immer noch zu Andy hingezogen, der ihr gegenübersaß. Er machte keinen Versuch, sich an sie heranzumachen. Dennoch spürte Emily, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Oder war das nur Wunschdenken?
„Ich habe gestern Abend mit meinem Handy noch etwas im Internet gesurft“, erzählte Kyle, der dritte Tauchschüler. „Diese Sache mit den Raubtauchern hat mich nicht losgelassen.“
„Geht das schon wieder los“, stöhnte Melanie. Aber Vivian, die Kyle mochte, warf ihm einen aufmunternden Blick zu.
„Lass mal, ich finde das spannend. Was hast du denn herausgefunden, Kyle?“
„Diese Raubtaucher müssen eine echte Landplage sein, obwohl Seeplage wohl der passendere Ausdruck wäre. Sie treiben sich überall in der Karibik herum, wo sie Wracks von Schiffen mit wertvoller Fracht vermuten. Manche von diesen Kerlen sind sogar im Auftrag von verrückten reichen Sammlern unterwegs.“
„Was genau ist an diesen Tauchgängen eigentlich illegal?“, fragte Melanie. „Ich dachte, der Meeresboden gehört jedem.“
„Ja, aber nicht in Naturschutzgebieten. Die Raubtaucher nehmen keine Rücksicht auf die Tier- und Pflanzenwelt unter Wasser. Sie gehen notfalls sogar mit schwerem Gerät vor, um vermeintliche Schätze an die Wasseroberfläche zu befördern. Eine offizielle Forschungsexpedition handelt immer im Auftrag der angrenzenden Staaten oder sogar der Vereinten Nationen. Das tun diese Raubtaucher nicht, denn sie wollen sich ja den ganzen Gewinn in die eigene Tasche stecken.“
„Hast du im Knast eigentlich mal einen Raubtaucher kennengelernt, Andy?“, fragte Lee. Emily bemerkte, dass Andy einen knallroten Kopf bekam. Knast? Es war ihm offenbar unangenehm, darauf angesprochen zu werden.
„Ich war mal ein paar Wochen im Jugendgefängnis, okay? Darauf bin ich nicht stolz, aber es gehört zu meinem Leben. Deshalb habe ich dir und Kyle gestern Abend in der Kabine davon erzählt. Deshalb bin ich aber noch lange kein Experte in Sachen Kriminalität.“
Emily war bei Andys offenherzigem Geständnis hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie nicht wieder an einen so gefährlichen Typen wie Jim Meadows geraten. Andererseits fand sie es gut, dass Andy offenbar Ecken und Kanten hatte. Sie versuchte, das Gespräch zurück auf die Raubtaucher zu lenken.
„Was ist denn jetzt mit den Raubtauchern? Wird die Polizei nicht mit ihnen fertig?“
Kyle schüttelte den Kopf.
„Nein, denn man muss sie eigentlich auf frischer Tat ertappen. Man sieht einem Taucher ja nicht an, ob er sich einfach nur unter Wasser bewegen will oder ob er ein verbrecherischer Schatzgräber ist. Außerdem ist das Seegebiet riesig, und die Polizei oder Küstenwache kann nicht überall gleichzeitig sein.“
„Gibt es denn auf dem Meeresboden echt so viele Schätze?“, wollte Melanie wissen. „Oder bilden sich das diese Raubtaucher nur ein?“
Kyle schüttelte den Kopf.
„Nein, auf dem Grund der Karibik ruhen wirklich unglaubliche Reichtümer. Ihr habt doch bestimmt alle Fluch der Karibik gesehen, oder? Das ist zwar nur ein Film, aber er hat einen realen Hintergrund. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert muss es in diesem Teil der Welt wirklich rundgegangen sein. Die spanischen Eroberer haben Mittel- und Südamerika bis aufs Blut ausgeplündert und das Gold der Mayas und Azteken per Schiff nach Europa geschafft. Das heißt, sie haben es versucht. Es gab Freibeuter, die den Spaniern die Schätze wieder abjagen wollten. Teilweise hatten diese Piraten sogar einen Kaperbrief der englischen Krone, viele waren aber einfach auf eigene Faust unterwegs. Und wer so
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