Atme - wenn du kannst!
eine spanische Goldgaleone geentert hatte, musste sich natürlich vor Neidern schützen und die Beute schnell in Sicherheit bringen. Die Seeräuber haben sich also auch untereinander bis aufs Blut bekämpft.“
„Wahnsinn“, meinte Melanie und warf einen Blick durch die Bullaugen auf das im Sonnenschein glitzernde Wasser. „Was müssen sich hier für Dramen abgespielt haben. Und dabei wirkt dieses Meer so friedlich und schön.“
Nun schaltete sich auch Kendall in das Gespräch ein. Der Kapitän hatte soeben die Messe betreten und nahm sich einen großen Becher Kaffee.
„Die karibische See kann auch ganz anders aussehen. Wenn ein Hurrikan wütet, dann hinterlässt er auch an Land schwere Verwüstungen. Und wer gerade auf offener See ist, wenn so ein Sturm ist, der wird dieses Erlebnis gewiss niemals vergessen.“
„Haben Sie schon viele Hurrikans miterlebt, Kapitän?“, fragte Emily.
„Es waren einige, aber wie ihr seht, lebe ich noch. Und das ist auch gut so, denn sonst könnte ich euch heute nicht das Tauchen beibringen. Nach dem Frühstück versammeln wir uns auf dem Achterdeck, dann steigen wir sofort in die praktische Arbeit ein.“
Kendall verließ wieder die Messe und warf dabei Emily einen seiner unergründlichen Blicke zu. Oder bildete sie sich das nur ein? Sie nahm sich fest vor, nicht mehr jede Geste und jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Aber das Stalking durch ihren Exfreund hatte sie dünnhäutig werden lassen. Oft war es nur ihrer gesteigerten Aufmerksamkeit zu verdanken, dass es nicht noch schlimmer gekommen war.
Einmal hatte Jim ihr in einer dunklen Gasse aufgelauert. Doch Emily hatte rechtzeitig sein Rasierwasser gerochen, war auf dem Absatz umgedreht und auf die Fahrbahn gerannt. Sie hatte einen Streifenwagen angehalten und den Polizisten die Lage erklärt. Doch als sie gemeinsam mit den Officers zu der Gasse zurückgekehrt war, fehlte von Jim jede Spur. Trotzdem war Emily sicher, damals das Richtige getan zu haben.
„Hallo? Ist jemand zu Hause?“
Melanies Worte schreckten Emily auf. Sie war in ihre Erinnerungen versunken gewesen und hatte gar nicht bemerkt, dass ihre Kabinenkameradin sie angesprochen hatte.
„Sorry, ich war gerade nicht bei der Sache.“
„Das habe ich gemerkt“, erwiderte Melanie und lachte. „Wir sollen reihum beim Küchendienst helfen, hat Sam gesagt. Ich dachte mir, wir beide fangen damit an. Was meinst du?“
„Okay, einverstanden.“
Gemeinsam räumten sie den Tisch ab und stellten die übrig gebliebenen Lebensmittel in den Kühlschrank und das Geschirr in die Spülmaschine. Als Emily und Melanie auf das Achterdeck nachkamen, hatten Kendall und Sam schon einige Sauerstoffflaschen, Schnorchel, Schwimmflossen und anderes Zubehör dorthin geschafft.
„Wir legen die Ausrüstung erst unmittelbar vor dem Tauchgang an“, erklärte der Tauchlehrer. „Die Schwimmflossen solltet ihr ebenso wie eure Füße anfeuchten, damit sie sich besser anlegen lassen. Gleich üben wir erst mal das korrekte Abtauchen ohne Gerät.“
Emily und Melanie hatten genau wie alle anderen Teilnehmer bereits ihre Neoprenanzüge angelegt. Daher konnten sie gleich in die Übungsstunde einsteigen. Kendall stellte die Maschinen ab, und Sam warf einen Treibanker. Die Fortuna befand sich nun auf hoher See, weit und breit konnte man kein Stückchen Land erkennen. Auch andere Schiffe waren nirgends zu entdecken.
„Wir befinden uns oberhalb eines Riffs, das für größere Fahrzeuge sehr gefährlich werden kann“, sagte der Kapitän. „Aber die Fortuna hat zu wenig Tiefgang, deshalb sind die unterseeischen Felsen für uns nicht riskant. Für Taucher ist das hier ein ideales Revier, das werdet ihr später mit eigenen Augen sehen.“
Emily hatte große Mühe, ihre Schwimmflossen richtig anzulegen. Entweder stellte sie sich besonders ungeschickt an, oder sie war einfach zu nervös. Endlich schaffte sie es.
„Emily, geh doch bitte zum Heck und zeig uns, wie du den Schnorchel einsatzbereit machst“, bat Kendall sie. Emily nickte und bewegte sich zum Heck – und zwar rückwärts, da sie bereits ihre Schwimmflossen angelegt hatte. Melanie lachte. Der Kapitän zog unwillig die Augenbrauen zusammen.
„Was ist daran so komisch, Melanie?“
Die Texanerin errötete.
„Ich, äh, das sieht irgendwie witzig aus, wenn Emily mit Schwimmflossen rückwärts läuft.“
„Und doch gibt es dafür gute Gründe“, konterte Kendall. „Und Emily hat soeben bewiesen, dass sie vom Tauchen
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