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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Rothmaier
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Wind und sehr schwach nach etwas Drittem. Zitrone oder Grapefruit. Ich wich zurück und murmelte: »Heute nicht, ich bin noch nicht fertig und muss morgen früh präsentieren.« Sie sah sich um, machte keine Anstalten zu gehen. »Willst du Kaffee?«, frage ich, und wünschte, sie würde ablehnen.
    »Danke gern«, antwortete sie und stapfte, während ich mir die Jeans anzog und im Bad einen Schluck Mundwasser durch die Zähne zog, in der Wohnung herum, betrachtete meine Skizzen auf dem Zeichentisch, betastete die Wurzelstücke, die ich an die Wände genagelt hatte, griff nach der Computermaus und begann sofort herumzuklicken. Ich beobachtete sie durch den Türspalt. Wie eine Katze, dachte ich, beschnuppert alles, als gehörte es ihr. Ich war auf dem Weg in die Küche, als ich hörte, wie sie sich setzte. Unruhig kehrte ich um und sah, wie sie sich ins Innere meines Rechners vertiefte, in den Systemeinstellungen herumklickte, die Harddisk mit den Programmen und Anwendungen öffnete, die Festplatteninformationen aufrief und alle möglichen Rechenoperationen in Gang setzte. Sie lehnte sich zurück und sah zu, wie die Balken sich langsam zu füllen begannen, während Befehlszeilen und Systeminformationen rasend schnell wechselten.
    »Wo bleibt der Kaffee?«, fragte sie frech, als sie mich bemerkte. Ich hätte sie am liebsten rausgeschmissen. Stattdessen zog ich sie auf dem Stuhl von Bildschirm und Tisch weg.
    »Mach das wieder rückgängig!«
    Sie sah mich erstaunt an.
    »Aber ich wollte doch nur …«
    »Hab ich dich um etwas gebeten?«
    »Ist ja gut, ich dachte, du freust dich, wenn ich dir …«
    »Ist mir gleich, bring es einfach wieder in Ordnung!«
    Ich rollte sie zurück vor den Schreibtisch und blieb hinter ihr stehen, während sie mit flinken Fingern die Rechenoperationen stoppte, Programmcodes eingab, einige Einstellungen änderte, die Fenster mit ein paar Tastenkombinationen schloss und meine Graf i k wieder auf den Bildschirm rief. Sie schien unverändert, und ich atmete auf.
    »Was für ein Unfug!«, sagte sie zwischen den Zähnen, und dann, während der Mac speicherte, herunterfuhr und neu startete, schlang sie die Arme um meinen Hals, zog mich an den Hüften zu sich, presste sich an mich und küsste mich.
    Mit schwummrigem Kopf lief ich in die Küche, wo ich endlich den Kaffee aufsetzte, den wir nicht trinken sollten, der in seinem Metallkocher brodelte, einkochte und als schwarzer Film festbrannte, während wir miteinander schliefen.
    Danach sprang sie fröhlich in ihre Kleider und ging wandern, ich aber rannte in der Wohnung herum. Erregt und zugleich glücklich suchte ich etwas, das ich kaputt hauen könnte, nahm die Kaffeetasse und warf sie an die Wand, von der sie mit einem dumpfen Federn abprallte und unversehrt auf dem Boden landete. Wütend warf ich sie aus dem Fenster, sie zerknallte unten auf der Straße. Paule war nicht mehr zu sehen. Während ich meine Arbeit in Windeseile erledigte, musste ich immer wieder an sie denken. Dann stellte ich mir eine liegende Acht vor, auf der ich die Gedanken kreisen ließ wie auf einer Carrerabahn. Der Mac arbeitete schnell und leise. Mir schien, als würde er die Änderungen an den Dateien rascher verarbeiten und die Text-Bild-Verknüpfungen mit weniger Rechenaufwand schneller und geschmeidiger speichern als bisher. Eiger-Nordwand. Das Telefon klingelte, ich ließ ich es läuten, holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und arbeitete weiter. Am späten Abend war ich fertig, hatte die Daten gezogen, die Proofs für die Druckerei auf CD gebrannt, einen Umschlag und die Präsentationsmappe vorbereitet. Anderntags präsentierte ich meine Arbeit, man akzeptierte ohne jeden Änderungswunsch, was selten, was äußerst selten war, in Hochstimmung fuhr ich an den Stadtrand zu Paule, sie öffnete im Nachthemd.
    »Komm mit mir in die Berge.«
    Sie war in wenigen Minuten bereit, und wir machten uns auf den Weg.
    Es war der erste heiße Tag des Jahres, alle waren zu warm angezogen. Alle außer Paule in ihrem kurzen weiten Rock. Mir lief der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinab. Sie saß aufrecht neben mir, breitbeinig, beide Füße fest auf dem Boden, und sah aus dem Fenster des Postautos. Ihre Schenkel vibrierten. Draußen huschte der lichtgrüne Wald vorbei mit hell verschleierten Baumkronen, dicke Kissen aus Gras lagen zwischen den schlanken Stämmen, in flackernden Sonnenflecken flirrte der Wiesengräserflaum. Ich drückte den roten Knopf, um auszusteigen. Paule

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