Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
Seite des schneebedeckten Tals, sah Corrie den großen Aushub der laufenden Bauarbeiten – zweifellos für das neue Clubhaus samt Spa. Sie schaute zu, wie die Bagger und Schaufellader geschäftig dabei waren, die Baugrube für die Fundamente auszuheben. Corrie konnte nicht anders, als sich zu fragen, warum man ein neues Clubhaus brauchte, wenn das alte doch ziemlich beeindruckend aussah.
Sie stellte den Wagen auf dem Besucherparkplatz ab und betrat das Clubhaus. Dort wies ihr die Dame am Empfang den Weg zu den Räumen von Town & Mount Realty.
Der Empfangsbereich war edel und luxuriös – Holz und Naturstein, Navajo-Teppiche an den Wänden, ein spektakulärer Kronleuchter aus Hirschgeweihen, Leder- und Holzmöbel im Wildweststil und ein Natursteinkamin, in dem ein echtes Feuer loderte. Corrie nahm Platz, machte es sich bequem und wartete.
Eine Stunde später wurde sie schließlich ins Büro von Mrs. Kermode, der Eigentümerin von Town & Mount und Vorsitzenden von The Heights Association, vorgelassen. Corrie hatte sich so dezent wie möglich gekleidet, graues Kostüm mit weißer Bluse und flachen Pumps. Sie war absolut entschlossen, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen und Mrs. Kermode mit Schmeicheleien, Charme und Überredungskunst für sich einzunehmen.
Am gestrigen Nachmittag hatte sie nichts unversucht gelassen, etwas Schmutziges aus Kermodes Vergangenheit auszugraben, Pendergasts Diktum beherzigend, dass man, wenn man etwas von jemandem bekommen will, stets etwas »Hässliches« zum Tausch anbieten müsse. Doch Kermode war offenbar ohne Fehl und Tadel: eine großzügige Spenderin an lokale Wohltätigkeitsorganisationen, Älteste der presbyterianischen Kirche, Freiwillige der örtlichen Suppenküche (es wunderte Corrie, dass eine Stadt wie Roaring Fork überhaupt eine »Tafel« hatte) und Geschäftsfrau von anerkannter Integrität. Sie wurde von ihren Mitbürgern zwar nicht gerade geliebt, sondern erregte das Missfallen vieler, doch alle respektierten und fürchteten sie.
Mrs. Kermode überraschte Corrie. Weit davon entfernt, die »altbackene« Frau zu sein, wie es der Name »Betty Brown Kermode« heraufbeschworen hatte, war sie eine äußerst wohlproportionierte Mittfünfzigerin, schlank und fit, mit schön frisierten platinblonden Haaren und dezentem Make-up. Sie trug teure Kleidung Marke Wildwest: perlenbesetzte Indianerweste, weiße Bluse, enge Jeans und Cowboystiefel. Eine Navajo-Halskette mit Türkisen vervollständigte die Garderobe. An den Wänden des Büros hingen Fotografien, wie sie auf einem umwerfenden Painthorse durch die Berge ritt, sowie im Wettkampf in einer Rodeo-Arena, und wie sie mitten durch eine Kuhherde galoppierte. Eine Ecke des Büros wurde von einem prachtvollen Westernsattel eingenommen, reich verziert und mit Silberbeschlägen.
Auf lockere, freundliche Weise trat Mrs. Kermode vor, schüttelte Corrie die Hand und bat sie, sich zu setzen. Durch die herzliche Begrüßung legte sich Corries Verärgerung, dass man sie eine Stunde hatte warten lassen, ein wenig.
»Also, Corrie«, begann Kermode, wobei sie mit ausgeprägtem texanischem Akzent sprach, »ich möchte Ihnen für Ihren Besuch danken. Er gibt mir die Möglichkeit, Ihnen persönlich zu erläutern, warum Polizeichef Morris und ich Ihnen Ihre Bitte leider nicht erfüllen können.«
»Nun, ich hatte gehofft, Ihnen erklären –«
Aber Kermode hatte es eilig und überging Corries Versuch, ihr Vorhaben näher zu erläutern. »Corrie, ich will ganz offen sein. Die wissenschaftliche Untersuchung dieser sterblichen Überreste zum Zwecke einer Semesterarbeit ist unserer Ansicht nach respektlos den Toten gegenüber.«
Damit hatte Corrie nun gar nicht gerechnet. »Wieso das?«
Kermode lachte kurz und giftig auf. »Meine liebe Miss Swanson, wie können Sie so eine Frage stellen? Möchten
Sie
etwa, dass irgendeine Studentin in den sterblichen Überresten Ihres Großvaters herumwühlt?«
»Hm, mir würde das nichts ausmachen.«
»Na kommen Sie. Natürlich würde Ihnen das etwas ausmachen. Zumindest dort, wo ich herkomme, behandeln wir unsere Toten mit Respekt. Es handelt sich hier um
heilige
sterbliche Überreste.«
Corrie versuchte verzweifelt, das Gespräch auf die ihr wichtigen Punkte zu lenken. »Aber es handelt sich hier um eine einmalige Chance für die Forensik. Es würde den Strafverfolgungsbehörden helfen –«
»Eine Semesterarbeit soll einen Beitrag zur Forensik leisten? Übertreiben Sie da nicht
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