Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
Kauderwelsch – darüber, das alles sei völlig legal, vernünftig, korrekt, die beste Lösung und ja, alternativlos aus verschiedenen Gründen, die sie nicht verstand. Während er weiterredete, hörte Jenny, dass sich Unmut unter den Leuten breitmachte. Aus dem Bereich für die Öffentlichkeit drang Gemurmel, hin und wieder wurde sogar gezischt. Sie blickte in die Richtung des Lärms. Der Antrag des Anwalts wurde nicht unbedingt mit Wohlwollen aufgenommen.
Gerade als sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Podium zuwenden wollte, fiel ihr ein auffälliger Mann in schwarzem Anzug auf, der ganz hinten im Bereich für die Öffentlichkeit aufgetaucht war. Er verströmte eine Aura, die sie innehalten ließ. Lag es an seinen wie gemeißelt wirkenden alabasterfarbenen Gesichtszügen? Oder an seinem Haar, so blond, dass es fast weiß war? Oder an seinen Augen von einem solch blassen Blau, dass er, selbst quer durch den Raum, fast wie ein Außerirdischer wirkte? War er ein Promi? Wenn nicht, fand Jenny, sollte er einer sein.
Inzwischen war ein Landschaftsarchitekt aufgestanden und gab seine Präsentation samt Diashow; die Bilder auf der tragbaren Leinwand zeigten einen Plan der vorgeschlagenen Begräbnisstätte, gefolgt von dreidimensionalen Ansichten des zukünftigen Friedhofs, mit Natursteinmauern, einem idyllischen gusseisernen Torbogen, der auf das Gelände führte, kopfsteingepflasterten Wegen zwischen den Gräbern. Als Nächstes wurden Dias des eigentlichen Bauplatzes gezeigt: eine Wiese, auf halber Höhe an einem Berg gelegen. Zweifellos ein wunderschöner Ort – aber eben nicht in Roaring Fork.
Während der Landschaftsarchitekt redete, schwoll das Gemurmel der Missbilligung an, und die kaum unterdrückte Unruhe unter der versammelten Zuhörerschaft nahm zu. Jenny erkannte einen Reporter der
Roaring Fork Times,
er saß in der ersten Reihe des Bereichs für die Öffentlichkeit. Der Ausdruck der Vorfreude auf seinem Gesicht verriet, dass er mit einem Eklat rechnete.
Und jetzt endlich erhob sich Mrs. Betty Brown Kermode und meldete sich zu Wort. Daraufhin herrschte Stille im Saal. Sie spielte eine dominierende Rolle in der Stadt – selbst Jennys Vater war offenbar eingeschüchtert –, so dass sie alle, die sich versammelt hatten, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen, vorübergehend zum Schweigen brachte.
Als Erstes kam Kermode auf den außerordentlich bedauerlichen Einbruch von vor zehn Tagen zu sprechen, die schockierende Schändung eines Leichnams und darauf, dass dies die Notwendigkeit beweise, die sterblichen Überreste möglichst bald umzubetten. Dabei erwähnte sie ganz beiläufig die schwere Straftat – eine so schwere Straftat, dass die Täterin einem außergerichtlichen Vergleich zugestimmt habe, der zu einer zehnjährigen Haft führen werde.
The Heights, so Mrs. Kermode weiter, hätten sich der sterblichen Überreste mit äußerster Sorgfalt angenommen, da man sich dort zutiefst der heiligen Pflicht bewusst sei, sicherzustellen, dass die rauhen Bergarbeiter, diese Pioniere von Roaring Fork, eine Begräbnisstätte erhielten, die ihrem Aufopferungswillen, ihrem unbeugsamen Geist und ihrem Beitrag für die Öffnung des amerikanischen Westens angemessen sei. Man habe, sagte Kermode, die ideale letzte Ruhestätte gefunden: an den Hängen des Catamount, mit einem herzzerreißenden Blick auf das Gebirge. Rings um den Friedhof habe man über vierzig Hektar Freifläche erworben, die für immer unbebaut bleiben würden. Und ebendies verdienten diese Colorado-Pioniere, nicht eingezwängt zu werden in irgendwelche Stadtgrundstücke, umgeben vom hektischen Treiben des Handels, des Verkehrs, des Shoppings und des Sports.
Es war eine wirkungsvolle Präsentation. Selbst Jenny konnte sich ihr anschließen. Die Unmutsäußerungen waren verstummt, als Mrs. Kermode an ihren Platz zurückkehrte.
Als Nächstes stand Henry Montebello auf, der in die Familie Kermode eingeheiratet hatte und daher in der Stadt auf Anhieb zu Macht und Ansehen gelangt war. Er war ein älterer Herr, hager, reserviert und wettergegerbt. Jenny fand ihn unsympathisch, ja sogar furchteinflößend. Er sprach mit einem lakonischen Mittelwesten-Akzent, der bewirkte, dass jede seiner Bemerkungen zynisch klang. Er war der leitende Architekt der Heights gewesen, damals, als er, anders als Kermode, nicht innerhalb der Wohnanlage lebte, sondern seine Privaträume und sein Büro in einer großen Villa auf der anderen Seite der Stadt hatte.
Er
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