Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
besten.«
»Ich
muss
aber darüber nachdenken.«
»Sie haben ja meine Nummer.«
Corrie erhob sich, schüttelte seine schlaffe, schwitzige Hand und verließ den Raum. Der Wachmann, der draußen vor der Tür gewartet hatte, führte sie zurück in den Tagesraum. Sie setzte sich, starrte auf den schwarz-weißen Teppichboden und dachte darüber nach, wie ihr Leben wohl in zehn Jahren aussehen würde, nachdem sie wieder draußen wäre. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen, und sie wischte sie wütend ab, aber vergebens.
10
I n jeder Hand eine von Polizeichef Stanley Morris schweren Aktentaschen, traf Jenny im Rathaus von Roaring Fork ein. Der Chief trug bei jeder Versammlung, an der er teilnahm, stets zwei prallgefüllte Aktenkoffer bei sich, damit er darauf vorbereitet war, jede an ihn gerichtete Frage beantworten zu können. Jenny hatte versucht, ihn zu einem Tablet-Computer zu überreden, aber er war ein eingefleischter Anhänger der analogen Kultur und weigerte sich sogar, den Desktop-Computer in seinem Büro zu benutzen.
Jenny gefiel das ganz gut, auch wenn es die Unannehmlichkeit mit sich brachte, zwei Aktentaschen zu schleppen. Bislang hatte sich der Chief als angenehmer Vorgesetzter erwiesen, der nur selten Forderungen stellte und stets freundlich war. In den beiden Wochen, die sie inzwischen als Praktikantin in der Polizeiwache arbeitete, hatte sie ihn als nervös und besorgt erlebt, aber niemals wütend. Jetzt ging er neben ihr und plauderte mit ihr über städtische Angelegenheiten, als sie den Versammlungsraum betraten. Große Bürgerversammlungen wurden manchmal im Opera House abgehalten, aber von dieser – am 13 . Dezember, weniger als zwei Wochen vor Weihnachten – erwartete man nicht, dass sie gut besucht sein würde.
Unmittelbar hinter dem Polizeichef nahm sie Platz, in dem für die Amtsträger reservierten Bereich. Sie waren früh dran – der Chief war immer früh dran –, und sie beobachtete, wie der Bürgermeister den Saal betrat, gefolgt von den Angehörigen des Planungsausschusses, dem städtischen Staatsanwalt sowie weiteren Beamten, die sie nicht mit Namen kannte. Dicht dahinter kam eine Abordnung der Heights, angeführt von Mrs. Kermode, deren blonde Haare perfekt frisiert waren. Dichtauf folgten ihr Schwager Henry Montebello und mehrere anonym wirkende Männer in Anzügen.
Der Hauptpunkt auf der Tagesordnung, die routinemäßig in der Zeitung veröffentlicht wurde, betraf einen Vorschlag der Heights hinsichtlich der Frage, wo die sterblichen Überreste des Boot-Hill-Friedhofs neu bestattet werden sollten. Während die Versammlung mit dem üblichen Eid auf die Verfassung und dem Vorlesen der Tagesordnungspunkte eröffnet wurde, schweiften Jennys Gedanken zu der Frau, die sie kennengelernt hatte – Corrie –, und dem, was ihr widerfahren war. Es hatte sie irgendwie ausflippen lassen. Diese Corrie hatte einen so netten, professionellen Eindruck gemacht – und dann dabei ertappt zu werden, wie sie in ein Lagerhaus einbrach, einen Sarg entweihte und Gebeine stahl. Man wusste eben nie, wozu manche Menschen imstande waren. Und dann studierte sie auch noch am John Jay. So etwas war noch nie in den Heights passiert, und die Nachbarn waren deswegen noch immer in Rage. Auch ihre Eltern redeten beim Frühstück über nichts anderes mehr, selbst jetzt noch, zehn Tage nach dem Vorfall.
Während sich der Auftakt zur eigentlichen Versammlung fortsetzte, sah Jenny zu ihrem Erstaunen, wie viele Leute im Bereich für die Öffentlichkeit Platz nahmen. Die Sitzplätze waren bereits alle besetzt, jetzt füllten sich die Stehplätze im hinteren Bereich. Vielleicht endete die Friedhofsangelegenheit ja erneut in einer heftigen Kontroverse. Sie hoffte, die Versammlung würde deshalb nicht die Zeit überziehen – sie hatte später am Abend noch eine Verabredung zum Essen.
Der erste Punkt auf der Tagesordnung wurde aufgerufen. Der Anwalt der Heights erhob sich und hielt seinen Vortrag in nasalem Tonfall. The Heights, sagte er, schlügen vor, die umgebetteten sterblichen Überreste auf einem Feld zu bestatten, das man zu ebenjenem Zweck an einem Hanggrundstück ungefähr acht Kilometer weiter unten an der Bundesstraße 82 erworben habe. Das überraschte Jenny; sie war immer davon ausgegangen, die Knochen würden innerhalb der Stadtgrenze wiederbestattet werden. Jetzt begriff sie, warum so viele Leute zur Versammlung gekommen waren.
Der Anwalt faselte irgendwelches juristisches
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