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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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mit dem sie markiert waren, waren Verbrecher zu erkennen, auf der Flucht vor dem römischen Gesetz. Es waren gar nicht wenige. Was sie alle einte, waren Unzufriedenheit und Überdruss über die Zustände im bröckelnden Imperium und der Wunsch, wieder auf die Siegerseite der Geschichte zu wechseln. Auch viele wildere Hunnen sahen wir, mit Federn geschmückt, barbarisch bemalt und tätowiert, die ihr mit Kalk geweißtes Haar zu straffen Knoten gebunden trugen; ein wenig abseits hatten Leute ihre Zelte aufgeschlagen, die beinahe aussahen wie Chinesen und sich in einer uns unbekannten Sprache verständigten. Eines jedenfalls lag für uns klar auf der Hand: All diese Völker hatten sich Attila angeschlossen, weil sie der Überzeugung waren, unter seiner Führung die römische Welt bezwingen zu können.
    Als wir uns einem großen, schlichten schwarzen Zelt in der Mitte des Lagers näherten, trat eine Frau heraus. Und was für eine Frau! Etwa um die fünfzig, auffallend anmutig, mit hohen Wangenknochen, die schlanken Schultern in einen Schleier aus roter Seide gehüllt und mit einem prächtigen Diadem aus gehämmertem Gold auf dem Kopf, in dem indische Granatsteine funkelten. Ich wage zu bezweifeln, dass dieses Diadem rechtmäßig erworben war.
    Wir saßen ab und verbeugten uns tief. Dies war Königin Checa, Attilas Gemahlin. Seine erste Gemahlin, genauer gesagt – er hatte noch viele weitere Frauen und außerdem unzählige Konkubinen. Rund um die Mitte des Lagers herum standen gewaltige Holzkarren, die Schiffe der Steppe, hochbeladen mit verzierten Kupferkesseln, Ballen feinster Seide und anderen kostbaren Stoffen, vereinzelt sahen wir sogar Marmorstatuen. Auf einem kleineren, leichteren Karren, den zwei untersetzte Burschen bewachten, die aussahen wie Brüder, lagen fernöstlich geschmückte Sättel und allerlei prunkvolles Zaumzeug, verziert mit goldenen Einlegearbeiten und indischen Edelsteinen, mit pontischen Kronen und ovalen sarmatischen Spiegelchen; vor den Karren waren zwei graue Reitpferde mit turkomanischen Brandzeichen gespannt. Welch eine bunt zusammengewürfelte Schar von Völkern, und doch hatten sie bereits die halbe Welt geplündert.
    Dann wurde uns mitgeteilt, der Große Tanjou sei nun zurückgekehrt. Wir legten unsere Waffen ab und ließen sie in einem Haufen am Boden zurück.
    * * *
    Attila empfing uns in seinem schwarzen Zelt, das auf reich verzierten, glänzend polierten Holzpfeilern ruhte und mit Tierfellen behängt war. Er saß auf einem mit barbarischen Schnitzereien geschmückten Holzthron. Die Krieger um ihn herum mit blau tätowierten Wangen waren exotisch herausgeputzt mit Gewändern aus chinesischer Seide und Kopfbedeckungen aus Fell, Attila selbst jedoch war sehr schlicht gekleidet. Eine Streitaxt steckte in seinem Gürtel. Er war mittelgroß, von kräftigem Körperbau, mit muskulösen Unterarmen, an denen dick die Adern hervortraten, hatte ähnlich vernarbte Wangen wie seine Untertanen und war, wie mir auffiel, überhaupt mit zahllosen Narben bedeckt, die er in manch wütendem Kampf davongetragen haben mochte. Seine Nase war kräftig und knochig, seine Augen, die unter tief hängenden Brauen hervorglitzerten, erinnerten an die eines Löwen, seine Züge waren von Wind und Wetter gegerbt. Er lehnte sich leicht vor und sah fast ein wenig belustigt drein, während er sich über den dünnen grauen Bart strich. All das aber vermittelt noch nichts von der Essenz des Mannes. Er strahlte eine ungeheure Energie aus, von der Sorte, die jederzeit in Zorn umschlagen kann. In seiner Nähe fühlte man sich seltsam unbehaglich, wie etwa an den Hängen des Vesuvs. Hätte er mich angesehen, ich hätte wohl sofort die Augen niedergeschlagen. Diesem Blick vermochten nur wenige standzuhalten.
    Chrysaphius verbeugte sich besonders tief.
    «Der Kaiser des Ostreiches und Statthalter Gottes auf Erden, der Göttliche Theodosius, König der Könige und Herr aller Herren, und seine Untertanen, der Senat und das Volk von Rom, wünschen Euch Gesundheit, Glück und ein langes Leben.»
    Attila lächelte. «Ich wünsche den Römern dasselbe, was sie auch mir wahrhaftig wünschen.»
    Sklaven traten vor und präsentierten die Geschenke, die wir mitgebracht hatten: Pelze und Silberkelche, Datteln und Pfeffer. Attila nahm die Gaben in Empfang, ohne ein Wort des Dankes zu äußern.
    * * *
    Beim abendlichen Festmahl gab es saftige Fleischstücke aus den Kruppen grasgenährter Pferde sowie das Fleisch frisch geschlachteter,

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